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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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die Baroness angehalten, Herr Julius, wenn Sie es doch selber wissen, dass Sie nicht recht zusammenpassen?«
    »Es... wie soll ich sagen? Es ergab sich so. Meine Eltern und die Briesnitzens sind seit Langem miteinander bekannt. Sie ist ein hübsches Mädchen, gut erzogen, unterhaltsam. Ich werde bald dreißig, Amara, und habe das Gefühl, mein Vater würde mich gerne verheiratet sehen.«
    »Und die Nachfolge gesichert.«
    »Vielleicht auch. Wobei er mich nie darauf angesprochen hat. Mutter auch nicht. Aber sie haben Dotty mit offenen Armen aufgenommen.«
    »Es ist Ihr Leben, Herr Julius. Ihr ganzes Leben.«
    »Ja. Natürlich. Aber, Amara, selbst wenn ich wollte, ich kann jetzt nicht mehr zurücktreten.«
    Ich verstand es. Ein Herr löste eine Verlobung nicht, das stand nur der Dame zu. Die strengen Regeln der guten Gesellschaft trieben zuweilen kuriose Blüten, und ich war froh, darin nicht so eng eingebunden zu sein. Als bürgerliche Handwerkerin hatte ich zumindest in diesen Dingen größere Freiheiten.
    »Dann wollen wir nicht mehr darüber reden. Schauen Sie, da vorne ist das Haus schon. Nun geben Sie mir die Schachteln wieder, damit man Sie nicht damit sieht.«
    »Nichts da, Amara. Ich nutze heute Abend – dem letzten in Freiheit – die Gelegenheit, mit dir durch den Lieferanteneingang des Hauses meiner künftigen Schwiegereltern zu treten und die Kuchen in der Küche abzuliefern. Das wird mir nach der Verlobung nie wieder erlaubt werden, fürchte ich.«
    »Seltsame Genüsse pflegen Sie, Herr Julius.«
    »Ich habe gute Erinnerungen an Küchen.«
    Ich klopfte am Dienstboteneingang. Doch es öffnete niemand.
    »Man wird beschäftigt sein. Ein großes Fest verlangt viel Vorbereitung«, erklärte ich und drückte die Klinke herunter. Wie erwartet war die Tür unversperrt. Da ich schon zuvor am Tag Kuchen geliefert hatte, wusste ich, wo sich die Küche mit ihren Vorratskammern befand, und wandte mich zielstrebig zur richtigen Tür. Die war ebenfalls nur angelehnt, und helles Licht ergoss sich durch den Spalt. Etwas verdutzt aber ließ mich das kehlige Stöhnen dahinter aufhorchen.
    »Wird da noch ein Schwein geschlachtet?«, flüsterte Julius amüsiert.
    Ich schob die Tür ganz auf und erstarrte.
    Mit dem Rücken an die Anrichte gelehnt stand die Baroness, die voluminösen Röcke hochgeschlagen, den Kopf zurückgeworfen, die Augen geschlossen, die dicken Beine in den weißen Strümpfen gespreizt und fest auf den Boden gestemmt. Vor ihr mühte sich schnaufend ein kleiner, drahtiger Mann ab. Die Kartons mit dem Aufdruck eines bekannten Delikatessengeschäfts verrieten seine Profession und Herkunft.
    Die Verblüffung dauerte bei mir nur Sekunden, dann drehte ich mich zu Julius um. Der wirkte wie gelähmt, als wolle er nicht glauben, was sich vor seinen Augen abspielte.
    »Julius«, wisperte ich. »Mach eine Szene. Laut und gewalttätig!«
    »Ich...«
    »Auch dein Heim wird eine Küche haben!«
    Julius schüttelte sich kurz, dann drückte er mir die Schachtel in die Hand. Mit einem Satz war er vorgesprungen und packte den Delikatessenhändler am Kragen. Er riss ihn herum, und bevor der Mann überhaupt wusste, wie ihm geschah, wurde er mit einem fachmännischen Kinnhaken zu Boden gestreckt.
    Dorothea, abrupt ihres Haltes beraubt, wankte, stolperte über ihre Füße, versuchte sich an der Anrichte festzuhalten, griff in eine Schokoladentorte, rutschte aus, riss die Torte mit sich und landete mit dem Gesicht in der Creme.
    Ich stellte vorsichtig die Kuchenschachteln auf den Boden und beobachtete, wie der Niedergeboxte vorsichtig und auf allen vieren aus Julius’ Reichweite zu entkommen versuchte. Doch der schenkte dem Mann keine Aufmerksamkeit mehr.
    »Baroness Dorothea, Sie werden noch heute die Gazetten von der Auflösung unserer Verlobung unterrichten. Begründen Sie es meinetwegen mit einem Verschulden meinerseits.« In Julius’ Stimme klirrte der Frost. »Sollten Ihre Eltern Erklärungen verlangen, stehe ich ihnen morgen zwischen elf und zwölf Uhr in meinem Büro zur Verfügung.«
    Dorothea, die auf dem Boden kniete, voller Krümel, Sahne und Pistazien, hob den Kopf. Einen Moment lang starrte sie ihren ehemaligen Verlobten verwirrt an, der eben den Ring vom Finger zog und ihn sorgsam auf den Schachteln des Delikatessenladens platzierte. Dann wanderten ihre Augen zu mir, die ich meinen Rock bereitwillig ausgebreitet hatte, um ihrem Liebhaber den Rückzug zu decken.
    »Du Ratte!«, zischte sie. »Du elende

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