Göttin der Rosen
Feierlichkeiten. Als er die Menschenmenge hinter sich gelassen hatte, beschleunigte er seine Schritte, ohne auf den Schmerz zu achten, den seine Beinmuskeln ihm immer noch bereiteten. Es ist nur ein Teil meiner Pflicht als Wächter, dafür zu sorgen, dass ihr Essen zubereitet wird und dass sie es zu sich nimmt. Ja, nur ein Teil meiner Pflicht …
Das Echo seiner schweren Schritte klang wie eine leise, höhnische Stimme, die unablässig ein einziges Wort flüsterte: Lügner … Lügner … Lügner …
12
Als sie aufhörte zu tanzen, wurde Mikki plötzlich wieder schwindlig und übel. So viele Frauen. Sie presste eine Hand auf ihre schweißnasse Stirn und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Und jede der Frauen wollte sie willkommen heißen, genau wie sie alle mit ihr hatten feiern und lachen wollen. Sie atmete schwer, und ihre Beine fühlten sich an, als würden sie jeden Moment unter ihr zusammenbrechen. Mit Tanzen war es ganz eindeutig vorbei.
»Empousa?« Nera sah sie mit besorgten Augen an. »Geht es Euch gut?«
»Ich bin nur müde«, erwiderte Mikki. »Es war ein langer Tag.«
»Dann kommt mit.« Plötzlich stand Gii neben ihr und legte stützend eine Hand in ihre Armbeuge. Die Dienerin der Erde führte sie in einem Zickzackkurs zwischen den Feiernden hindurch, zurück in Richtung des Palasts.
»Möchtet Ihr, dass die anderen Dienerinnen Euch begleiten, Empousa?«, fragte Gii, als Nera, Floga und Aeras bemerkten, dass sie aufgebrochen waren, und das Feiern ebenfalls unterbrachen.
»Nein!«, antwortete Mikki schnell und gab den Frauen mit Handzeichen zu verstehen, dass sie bleiben konnten. Das Letzte, was sie jetzt brauchte, waren vier aufgeregte Dienerinnen, die einen großen Wirbel um sie machten. Tatsächlich wäre ein bisschen Zeit für sich mit einem Gläschen Wein ein perfekter Plan. »Und du musst auch nicht mitkommen, Gii. Ich bin sicher, dass ich allein in mein Zimmer zurückfinde.«
»Es ist mir eine Ehre, Euch zu begleiten«, erwiderte Gii entschieden. Dann wandte sie sich mit einem Lächeln den Frauen zu, die versuchten, Mikki wieder in das Fest einzubeziehen. Mit freundlicher Bestimmtheit erklärte sie ihnen, dass ihre Empousa jetzt etwas Ruhe brauchte, und hielt die Menschenmenge gekonnt auf Abstand. Mikki seufzte und überließ sich Giis Fürsorge.
Der hellerleuchtete Palast wirkte warm und einladend, und Mikki war heilfroh, ihm schnell näher zu kommen. Fröstelnd schlang sie die Arme um sich. Jetzt, wo sie nicht mehr tanzte, merkte sie, wie kühl die Nachtluft war. Und auch, wie hungrig sie war. Wann hatte sie das letzte Mal etwas Richtiges gegessen? War sie wirklich erst gestern Abend im Wild Fork gewesen? Wie verging die Zeit in diesem magischen Reich? Auf jeden Fall war es kein Wunder, dass sie sich so geschwächt und zittrig fühlte.
Mit letzter Kraft schleppte Mikki sich die Marmorstufen hinauf, die zu ihrem Balkon führten. Oben angekommen, blieb Gii so plötzlich stehen, dass Mikki fast gestolpert und hingefallen wäre. Die Dienerin starrte auf einen kleinen Tisch, den jemand neben die offenen Türen zu ihrem Zimmer gestellt hatte. Er stand einladend in einem Lichtfleck auf dem ansonsten stockdunklen Balkon. Eine dicke Decke hing über der Lehne des schmiedeeisernen Stuhls, vor dem ein Paar weicher Pantoffeln standen. Und wunderbarerweise war der Tisch mit Essen beladen.
»Oh, Mann! Wer immer das getan hat, ist mein neuer Held!« Ohne auf Giis Zurückhaltung zu achten, eilte Mikki über den dunklen Balkon, setzte sich auf den Stuhl, schob ihre kalten Füße in die Pantoffeln und seufzte wohlig. Auf dem Tisch standen mehrere Platten voller Köstlichkeiten. Es gab aromatischen Käse, Oliven, dünn geschnittenes Fleisch und einen Laib Brot, offensichtlich noch ofenwarm. Bevor sie sich wie eine Verhungernde auf das Essen stürzte, erinnerte sie sich an Gii, die immer noch am oberen Ende der Treppe stand. Seltsamerweise schien es, als hätte die Dienerin sie ganz vergessen. Mit angespanntem Gesicht starrte sie in den tiefen Schatten am hinteren Ende des Balkons. Mikki räusperte sich, um sie auf sich aufmerksam zu machen. Die junge Frau zuckte heftig zusammen, und obgleich Mikki zu weit weg war, um ganz sicher zu sein, glaubte sie, echte Angst in Giis Augen zu erkennen. Sie lächelte der Dienerin zu und fragte sich im Stillen, was sie so beunruhigt hatte. War Mikki vielleicht in irgendein kulturelles Fettnäpfchen getreten, als sie sich an den Tisch gesetzt hatte, ohne Gii
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