Göttin der Rosen
einzuladen, sich zu ihr zu gesellen? Sie wollte wirklich nicht respektlos erscheinen, schon gar nicht der Frau gegenüber, die ihr die allermeiste Freundlichkeit entgegengebracht hatte. Und so winkte sie die Dienerin der Erde zu sich, obwohl sie viel lieber allein gegessen und ihre Ruhe genossen hätte.
»Wir könnten noch einen Stuhl aus meinem Zimmer holen. Das Essen reicht allemal für uns beide.« Als sie den Blick erneut über den Tisch schweifen ließ, lief ihr das Wasser im Mund zusammen. »Warum setzt du dich nicht zu mir?«
Mit einem letzten nervösen Blick in den Schatten wandte Gii sich wieder ihr zu und schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, Empousa. Ihr seid erschöpft. Es ist besser, wenn ich Euch in Ruhe essen und dann schlafen lasse.« Die Dienerin machte Anstalten zu gehen, drehte sich aber unvermittelt noch einmal um und eilte ein paar Schritte auf Mikki zu, bis diese die Besorgnis in ihrem Gesicht deutlich erkennen konnte. »Mikado, bitte vergebt mir meine Dreistigkeit, aber ich kann nicht länger schweigen.«
»Was ist los, Gii?«
Rasch trat die Dienerin auf sie zu, kniete sich neben Mikki und ergriff ihre Hand. Obwohl ihre Stimme kaum lauter war als ein Flüstern, sprach sie mit einer stillen Intensität, die Mikki stutzig machte. »Euer Schicksal und das Schicksal des Reiches sind jetzt für immer miteinander verbunden. Die Entscheidungen, die Ihr trefft, haben größere Auswirkungen, als Ihr Euch vorstellen könnt.«
Obwohl sie sich fühlte wie ein Fisch an Land, erkannte Mikki die Sorge in Giis Stimme.
»Ich werde daran denken, Gii«, versicherte sie ihr, und weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte, fügte sie hinzu: »Ich werde vorsichtig sein. Versprochen.«
Offensichtlich erleichtert, nickte Gii und drückte Mikkis Hände, bevor sie sie losließ. »Ihr habt Euch heute Abend wirklich gut geschlagen, Empousa. Willkommen in Eurem neuen Leben.« Sie knickste tief, eilte zur Treppe und verschwand so schnell und leise, als wäre sie nur ein Traum gewesen.
Endlich war Mikki allein. Was hatte das zu bedeuten? Viel zu müde, um sich noch länger mit Giis seltsamem Verhalten und ihren kryptischen Worten auseinanderzusetzen, streckte Mikki die Beine aus und ließ ihre Schultern kreisen. Ihr Nacken tat höllisch weh, und ihr ganzer Körper fühlte sich steif und wund an. Was, zum Teufel, war nur los mit ihr? Wahrscheinlich sollte sie mehr Zeit im Fitnessstudio verbringen, aber wer sollte das nicht? Und sie hätte ganz sicher nicht gedacht, so außer Form zu sein, dass sie sich nach ein bisschen Tanzen fühlte wie eine alte Frau – oder wie eine junge Frau, die gerade verprügelt worden war.
Ihre Hände zitterten, während sie sich Käse und Fleisch auf ihren Teller lud, aber sobald sie ein paar Bissen gegessen hatte, fühlte sie sich besser. Mikki fröstelte in der kühlen Nachtluft, zog die Decke von ihrer Stuhllehne und wickelte sie sich um die Schultern. Dann brach sie sich ein Stück Brot ab und seufzte glücklich, als sie hineinbiss. Sie stellte sich vor, dass es nicht nur ihren Körper nährte, sondern auch ihre Seele. Auf der anderen Seite des Tisches stand ein wunderschöner Kerzenleuchter wie ein stiller Begleiter, der sich nur zu ihr gesellt hatte, um ihr Licht zu spenden, und sein sanfter Schein tanzte über einen mit dunkelrotem Wein gefüllten Kristallkelch. Mikki nahm den Kelch in die Hand und bewunderte das aufwändige Rosenmuster, das in seine Oberfläche eingearbeitet war. Sie wusste es wirklich zu schätzen, dass jemand ihn bereits gefüllt und außerdem einen ganzen Krug voll Wein für sie dagelassen hatte. Wenn irgendein Anlass nach Wein – einer Menge Wein – verlangte, dann war es dieser verrückte Abend. Mikki sah sich um, ob sie vielleicht jemanden in den tiefen Schatten auf dem Balkon erspähen konnte, aber nichts regte sich; anscheinend war sie wirklich vollkommen allein.
Gerade wollte sie den Krug an ihre Lippen heben, da hielt sie abrupt inne und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. Auf ihrem Wein schwamm eine Rosenknospe, so tiefrot, dass sie fast schwarz aussah.
Was, zum Teufel, hatte eine Rosenknospe in ihrem Wein verloren? Unsicher, wie man am besten eine Rosenknospe aus einem Glas fischte, ließ Mikki den Blick über den Tisch wandern. Sollte sie die Knospe einfach mit ihren Fingern herausangeln? Oder sollte sie besser eine Gabel benutzen? Vielleicht wäre ein Teelöffel angebracht?
»Ich kann noch nicht mal ein neues Glas bestellen«,
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