Göttin der Wüste
Hauptmann sah von ihr zu Elias und bemerkte trocken: »Vielleicht wäre das besser für Sie.«
»Ich bin hier sicher«, beruhigte sie ihn. »Kehren Sie um. Das heißt, einen Moment noch …« Sie wandte sich an Elias. »Ich bin überzeugt, mein Bruder hat für Sie und Ihren ganzen Trupp einen Schnaps oder ein gutes Glas Wein übrig.«
Elias runzelte kurz die Stirn, dann lachte er lauthals. »Aber für die Herren Uniformträger doch immer! Schön, wenn man sich so beschützt fühlen kann.«
Cendrine verkniff sich ein Grinsen und freute sich, als der Hauptmann nach kurzem Zögern sagte: »So ein Angebot werden wir nicht ausschlagen.« Er wies einen seiner Männer an, die übrigen Soldaten und die San mit dem Gepäck herbeizuholen.
Bald darauf saß der ganze Trupp auf den Stufen der Veranda und im Schatten unter dem Vordach. Elias hatte den San und den Soldaten, die Cendrines Koffer und Taschen getragen hatten, gezeigt, wo sie ihre Last abladen konnten. Dann hatte er mit Cendrines Hilfe mehrere Flaschen Rum, Wein und sogar eine Flasche echten schottischen Whiskey herbeigeschafft. Dazu gab es Fladenbrot und für jeden ein großes Stück Trockenwurst oder Fisch.
Als schließlich die Zeit zum Aufbrach kam, sagte der Hauptmann: »Alle zwei Wochen reist die offizielle Karawane von Zesfontein hierher und wieder zurück. Ihr Bruder wird wissen, wann sie das nächste Mal hier eintrifft. Wenn Sie zurückreisen wollen, tun Sie es nur mit dieser Karawane – sie dürfte sicherer sein als jeder andere Zug von Halsabschneidern, der durch diese elende Gegend zieht. Die Schutztruppe stellt jedesmal eine Eskorte von mindestens zehn Mann.«
Elias neben ihr nickte. »Der Hauptmann hat recht. Es ist immer ein großes Fest, wenn die Soldaten hier eintreffen.«
Der Soldat schenkte ihm ein schiefes Grinsen, dann fuhr er fort: »Glauben Sie mir, es ist der beste Weg hinaus aus dieser Einöde. Vorausgesetzt, man hat Sie nicht vorher an irgendwelche Seeräuber oder Alkoholschmuggler verschachert!« Er wehrte Elias’ Einspruch mit einer Handbewegung ab und fügte dann hinzu: »Nichts für ungut. Und danke für die Bewirtung. Fräulein Muck! Es war mir eine Freude, mit Ihnen zu reisen.«
Sie lächelte ihn an, dann, aus einem Impuls heraus, hauchte sie ihm einen Kuß auf die stoppelbärtige Wange.
Die Soldaten, die die Szene beobachtet hatten, grölten, und der Hauptmann, ein gestandener Mann, der schon viele Jahre in der Wildnis Südwests lebte, errötete wie ein Schuljunge.
Cendrine wandte sich an die drei San. »Ihr reitet mit den Soldaten. Es ist besser, wenn ihr die Namib gemeinsam durchquert.« Einer der drei wollte widersprechen, doch sie kam ihm mit einem Kopfschütteln zuvor. »Keine Angst, ich weiß, was ich tue.«
Die drei San flüsterten miteinander und begutachteten argwöhnisch Elias und sein Haus. Dann nickten sie widerwillig.
So kam es, daß Soldaten und San das Dorf gemeinsam verließen. Cendrine stand mit Elias auf dem Platz vor dem Dorf und blickte der schwankenden Kutsche nach, als sie im Gefolge der Reiter den Weg hinabschaukelte.
»Kaum zu glauben, daß ich zwei Wochen in diesem Ding gesessen habe«, murmelte sie.
Elias hatte einen Arm um ihre Taille gelegt. »Du bist verrückt, weißt du das?«
Sie blickte zu ihm auf – er war fast einen Kopf größer als sie. »Weil ich hergekommen bin?«
Elias lächelte nur und gab keine Antwort. Sanft zog er sie herum, und Hand in Hand gingen sie zurück zur Handelsstation auf den Klippen.
***
Draußen schrien die Möwen und zogen unsichtbare Schleifen im Dunkelblau des Abendhimmels. Der Ozean rauschte beruhigend gegen die Dünen am Fuß der Klippen, und ein kühler Luftzug kündete von der Kälte der anbrechenden Wüstennacht.
Cendrine lag neben Elias im Bett, schmiegte ihren Kopf an seine Brust und blickte gedankenverloren zum Fenster hinaus. Eine Stimme war in ihrem Kopf, Adrians Stimme, aber sie schob sie so weit von sich fort, wie sie konnte.
Ihr Haar war über den Oberkörper ihres Bruders gebreitet, und er streichelte die Strähnen zärtlich mit seinen Fingerspitzen.
»Du bist verliebt«, sagte er leise. Es waren die ersten Worte, seit sie erschöpft in die Kissen gesunken waren.
Sie blickte nicht auf und versuchte gar nicht erst, erstaunt zu klingen. »Wie kommst du darauf?«
»Ich hab’s gemerkt. Du bist … anders als früher.«
»Das hier war das letzte Mal, das weißt du doch, nicht wahr?«
»Hast du mit jemandem darüber gesprochen?« fragte
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