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Göttin der Wüste

Göttin der Wüste

Titel: Göttin der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gemeint gewesen. War ihre Beziehung überhaupt schon soweit, einen Verrat daran begehen zu können? Das war eine Frage, auf die sie heute noch keine Antwort finden konnte. Eigentlich war es ganz gut so. Das machte es leichter, den Druck im Bauch und den Kloß in ihrem Hals zu ignorieren.
    Elias hatte recht gehabt, als er sagte, daß sie verändert war. Wahrscheinlich hatte die Wandlung schon kurz nach ihrer Ankunft in Südwest eingesetzt – wahrgenommen hatte Cendrine sie jedoch erst, als sie den kleinen Jungen auf eigene Faust nach Windhuk gebracht hatte. O ja, sie änderte sich, und sie fragte sich, ob das auch an den Visionen lag. Es war fast, als verliehen ihr die Bilder, die sie gesehen, nein durchlebt hatte, eine Stärke, die ihr vorher fremd gewesen war.
    Aber da war noch etwas. Vorhin, als Elias ihr gesagt hatte, daß er verheiratet sei, da hatte sie sekundenlang einen tiefen Haß auf ihn verspürt. Und nun fragte sie sich, ob Henoch, die Stadt des Brudermörders, nicht längst auch an einem anderen Ort als nur dort draußen in der Wüste existierte.
    War in ihren Visionen nicht sie zur Stadt, sondern die Stadt zu ihr gekommen?
    ***
    Am nächsten Morgen erwachte sie und sah, daß ihr Bruder für sie in der kleinen Küche des Hauses den Frühstückstisch gedeckt hatte. Kaffeearoma hing in der Luft. Elias selbst war nirgends zu entdecken. Vor den Fenstern hing dichter Nebel, der vom Atlantik her über die Wüste wehte. Die weißen Schwaden, dicht wie Zuckerwatte, erinnerten sie wieder an ihre Ankunft in Swakopmund.
    Elias kam gerade in dem Moment nach Hause, als sie begann, das Geschirr mehrerer Tage abzuwaschen.
    »Ah, du bist auf«, rief er fröhlich, als er zur Tür hereinkam. »Du kannst dir nicht vorstellen, was im Dorf los ist. Alle reden nur von dir.«
    »Wo warst du?« fragte sie und warf ihm ein Tuch zum Abtrocknen in die Hand.
    Er fing es mit schiefem Grinsen auf. »Auf dem Markt. Na ja, zumindest nennen wir es hier so.«
    »Die Handvoll Stände auf der anderen Seite des Dorfes?«
    Elias nickte. »Die Eingeborenen ziehen manchmal recht interessante Dinge aus dem Meer, und bei den meisten habe ich das Vorkaufsrecht.«
    »Dein Geschäft scheint gut zu laufen.«
    »Ich bin zufrieden.«
    »Die meisten der Männer, die ich gestern hier gesehen habe, sahen nicht aus, als könnten sie bezahlen, was du ihnen verkaufst – abgesehen davon, daß sie es wahrscheinlich gar nicht zahlen wollen.«
    Er legte klirrend einen weiteren Teller auf den Stapel neben dem Küchenfenster. »Du tust ihnen unrecht. Viele von ihnen wären wohl ziemliche Schurken, würde man ihnen anderswo begegnen als hier. Aber in diesem Nest, in dem … nun ja, wo jedermann ein Schurke ist« – er grinste breit –, »hier vertragen sich alle miteinander. Bis auf Ausnahmen, zumindest.«
    »Bist du auch einer von ihnen? Ein Schurke?« fragte sie spitz.
    Er gab keine Antwort, aber in seinen Augen blitzte der Schalk.
    »Wovon leben diese Leute eigentlich alle?« erkundigte sie sich nach einer Weile. »Ich habe unten am Wasser kein einziges Wrack gesehen.«
    »Die Mehrzahl zieht morgens ein Stück weit nach Norden. Dort liegt alle dreißig, vierzig Meter ein Wrack, aber das ist nur ein Bruchteil von dem, was tiefer im Sand zu holen ist. Diese Männer können mit zwei Dingen meisterhaft umgehen: mit ihren Klappmessern und mit einer Schaufel.«
    »Und, finden sie etwas?«
    »Keiner von denen, die du gesehen hast. Sobald einer Gold oder etwas anderes Wertvolles entdeckt, wird er entweder von den anderen ausgeraubt, oder er verschwindet schleunigst von hier. Die meisten entscheiden sich für die zweite Möglichkeit. Die, die noch hier sind, sind die Verlierer – heute. Morgen kann es schon ganz anders aussehen. Wenn einer sich von einem Tag auf den anderen in Luft auflöst, dann hat ihn entweder jemand umgebracht und im Sand verscharrt, oder aber er hat etwas gefunden, das ihn anderswo reich machen wird.« Er hob die Schultern. »Viel mehr Regeln gibt es hier nicht.«
    Sie nahm die Hände aus dem Spülwasser und sah ihn eindringlich an. »Was hat dich nur an diesen Ort verschlagen?«
    »Mein Glück. Auch wenn es nicht so aussieht.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich wirke vielleicht nicht wie ein reicher Mann – aber das hat hier bei uns nichts zu bedeuten.« Er beugte sich vor und strich ihr lächelnd mit dem Handtuchzipfel eine Strähne aus der Stirn. »Glaub mir, ich weiß kaum mehr, wohin mit all meinem Geld.«
    »Du bist ein Angeber – und du

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