Göttin der Wüste
hübsche junge Dame nicht ins Auge fallen?«
Verlegen wich sie seinem Blick aus. »Ich hoffe, Ihre Reise war angenehm?«
»Angenehm ist das falsche Wort. Frei von Zwischenfällen wäre treffender.« Mit einem Blinzeln und einem Blick in die Richtung der Mädchen fügte er hinzu: »Abgesehen von gefährlichen Geschenkräubern, versteht sich.«
Die Kinder wieherten vor Lachen.
»Was macht ihr überhaupt noch hier?« fragte er die beiden und gab jedem der Mädchen einen Klaps aufs Hinterteil. »Los, schaut zu, wie meine Sachen ausgepackt werden! Sonst entgeht euch noch etwas. Oder den Dienern gefällt euer Geschenk so gut, daß sie es ihren eigenen Kindern im Dorf mitbringen!«
Kichernd und plappernd rannten die Mädchen davon, hinauf in den Nordflügel zu den Zimmern ihres Vaters.
»Wie läuft der Unterricht?« fragte Titus, als er und Cendrine allein in der großen Eingangshalle waren.
»Oh, die beiden sind wunderbar! Sehr wißbegierig. Sie scheinen Spaß am Lernen zu haben.«
Er nickte stolz, als hätte er nichts anderes erwartet. »Es freut mich, daß Sie meine Einschätzung teilen.« Einen Augenblick lang schien er zu überlegen. »Sagen Sie, in Ihren Unterlagen stand, Sie schätzen die Philosophie. Ist das richtig?«
Sie erbleichte. Hatte er etwa schon mit Madeleine gesprochen?
»Ich habe mich immer gern mit den Lehren der alten Philosophen beschäftigt, das ist wahr.«
»Meine Frau hat vielleicht schon erwähnt – oh, gewiß hat sie das –, daß ich ein großer Freund des klassischen Altertums bin, vor allem der Römerzeit. Ein kleiner Spleen, fürchte ich, den ich von meinen Eltern geerbt habe. Nichtsdestotrotz wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie das Verständnis der Mädchen für dieses Thema ein wenig, wie soll ich sagen, schärfen könnten.«
»Sie meinen«, fragte sie stockend, »ich soll die beiden in Philosophie unterrichten?«
»Allerdings. Je früher sie damit vertraut werden, desto besser.«
Sie zögerte mit einer Erwiderung. Sollte sie ihm erzählen, daß seine Frau dazu eine ganz andere Meinung hatte?
Die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als hinter ihr eine Stimme sagte: »Fräulein Muck und ich haben bereits über den Unterrichtsstoff der Mädchen gesprochen.«
Cendrine fuhr herum und fühlte sich schuldig, so als hätte Madeleine sie und Titus bei einer verstohlenen Umarmung ertappt. Was für ein absurder Gedanke!
Madeleine starrte sie eindringlich an. »Wir sind übereingekommen, daß Salome und Lucrecia noch ein wenig jung sind für diese Art von … Gedankengut.«
»Aber dieser Meinung bin ich überhaupt nicht«, polterte Titus los. »Die Philosophie, dieses Wunderwerk großartiger Geister, die sich einst –«
Madeleine fiel ihm barsch ins Wort. »Nichts als unchristlicher Firlefanz!«
Ihr Mann lächelte wieder, und Cendrine fand, daß er dabei ein wenig verschlagen wirkte. »Daher weht also der Wind!« Er blickte von Madeleine zu Cendrine, dann wieder zu seiner Frau. »Ich glaube, ich verstehe. Fräulein Muck, meine Frau ist sehr empfindlich was diese Belange angeht. Ich denke, sie und ich werden dieses Thema noch unter vier Augen diskutieren müssen.«
Cendrine war froh, daß er das sagte. »Natürlich«, sagte sie beflissen, knickste erneut und wollte sich zurückziehen.
»Warten Sie, warten Sie!« bat Titus in donnerndem Tonfall. »Wer sagt denn, daß diese Diskussion nicht jetzt stattfinden soll? Nicht wahr, Madeleine?«
Seine Frau stand starr und gedemütigt da, ihr anmutiges Gesicht war aschfahl geworden. »Natürlich.«
Cendrine wurde immer unwohler. »Wenn Sie erlauben, werde ich nach den Mädchen sehen und –«
»Ich denke, die beiden kommen im Augenblick ganz gut allein zurecht«, widersprach Titus. »Es gibt noch etwas, über das ich mit Ihnen reden wollte. Jetzt ist ein ebenso guter Zeitpunkt dafür wie später.«
Sie wagte nicht mehr, zu Madeleine hinüberzusehen, wünschte sich nur, auf der Stelle im Boden zu versinken. »Ja, bitte?«
»Ich werde in zwei Tagen wieder abreisen«, sagte Titus Kaskaden. »Ich muß eine meiner Minen inspizieren, nicht allzu weit von hier, südöstlich von Okahandja. Irgendwann, vielleicht in zehn, vielleicht in zwanzig Jahren, werden andere dieses Geschäft übernehmen, möglicherweise Valerian oder auch meine Schwiegersöhne. Jedenfalls denke ich, daß es an der Zeit wäre, den Mädchen einmal zu zeigen, womit die Familie ihr Geld verdient.«
Madeleine kam mit schnellen Schritten auf ihn zu und blieb direkt vor ihm
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