Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Göttin der Wüste

Göttin der Wüste

Titel: Göttin der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
verlassen. Cendrine wollte sich gleichfalls erheben, doch Madeleine winkte ab.
    »Sie bleiben! Sie sind eine Weiße. Das hier geht Sie genauso an wie uns alle. Falls wirklich ein Aufstand bevorsteht, wird Johannes und den Mädchen nichts geschehen – Grundgütiger, vielleicht werden sogar sie in Zukunft die Herren dieses Hauses sein! –, aber Ihnen, Fräulein Muck, und uns stehen dann harte Zeiten bevor.«
    Adrian schmunzelte verstohlen.
    »Sollten Salome und Lucrecia nicht lieber nach draußen gehen«, schlug Cendrine vor.
    Madeleine musterte die beiden Mädchen und lächelte hart. »Nein, ihr beiden seid alt genug, um über alles Bescheid zu wissen, nicht wahr? Deshalb hat euch euer Vater schließlich mit zur Mine genommen.«
    Die Zwillinge nickten eingeschüchtert.
    »Also«, sagte Madeleine und blickte in Valerians Richtung, »laßt uns überlegen, was wir tun können, damit sie dich hierlassen.«
    Er schüttelte vehement den Kopf. »Aber ich will gehen, Mutter! Es ist meine Pflicht.«
    »Pflicht!« wiederholte sie abfällig. »Es gibt viele Pflichten. Wir finden eine neue für dich.«
    »Nein, kommt nicht in Frage!« Valerian hielt Madeleines Blick so kühn stand, daß sie einen Moment lang spürbar unsicher wurde.
    »Übermorgen reise ich mit den anderen ab«, fuhr er fort. »Wir werden die Wüstenfront halten, komme was mag.«
    Cendrine sah Adrian an, in der festen Erwartung, er werde darauf etwas Zynisches erwidern. Doch Adrian schwieg. Entweder hatte er Mühe, schnell genug von einem zum anderen zu blicken, um dem Dialog folgen zu können, oder aber – und das schien ihr wahrscheinlicher – er zollte Valerians Wunsch Respekt.
    Madeleine rang um ihre Fassung, als sie schließlich sagte: »Wie du willst. Ich hoffe, du bist dir der Konsequenzen bewußt.«
    »Möglicherweise hast du ja recht«, gab er zurück. »Vielleicht täuschen sich alle, und es wird gar keinen Aufstand geben. Dann bin ich in ein paar Monaten zurück, und ich werde dem Gouverneur vorschlagen, dich wegen deiner Weitsicht zum General zu ernennen.«
    »Mach dich nur lustig«, brummte sie resigniert.
    Da meldete sich Adrian zu Wort. »Osire«, sagte er gedankenverloren. »Liegt das nicht in der Omaheke?«
    Madeleine und die Kinder wurden schlagartig bleich. Nur Cendrine blickte ratlos von einem zum anderen. Sie hatte keine Ahnung, wovon Adrian sprach.
    »Valerian«, sagte Madeleine, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Raunen, »ist das wahr?«
    Ihr Sohn nickte. »Im Herzen der Omaheke«, bestätigte er.
    »Aber dort lebt nichts!« entfuhr es Madeleine. »Auch Rebellen brauchen Wasser. Niemand könnte euch von dort aus in den Rücken fallen.«
    »Um so besser«, entgegnete Valerian und brachte allmählich das nervöse Zucken seiner Lider unter Kontrolle.
    »Das ist Wahnsinn!« Madeleine krallte sich an die Tischkante.
    »Die Omaheke ist –«
    »Die Hölle«, sagte Valerian ruhig. »Das erzählt man sich zumindest.«
    Adrian schaute von seinem Bruder zu Cendrine. »Wäre es nicht angebracht, Fräulein Muck kurz zu erklären, wovon wir überhaupt sprechen.«
    Cendrine schaute unsicher zu Madeleine, und als diese nicht widersprach, nickte sie.
    »Die Omaheke ist ein riesiges Sandfeld«, sagte Adrian, »etwa dreihundert Kilometer lang und an der größten Stelle etwa ebenso breit. Es gibt dort nichts, das Schatten spendet. Nur ein endloses Sandmeer, Kilometer um Kilometer. Nirgends ist es trockener – und heißer.«
    »Man sagt, es sei der schlimmste Ort in ganz Südwest«, fügte Valerian ein wenig unwirsch hinzu. »Aber was heißt das schon? Daheim in Deutschland hält man jeden, der nach Südwest geht, für lebensmüde. Und trotzdem sind wir alle hier, und es geht uns doch recht gut, oder?« Er versuchte jetzt, fröhlich zu klingen, aber das mißlang ihm gründlich. »Wer weiß, vielleicht hält auch die Omaheke die eine oder andere Überraschung bereit.«
    »Wir sollten beten, daß es erfreuliche Überraschungen sind«, sagte Madeleine.
    »Womöglich findet Valerian ja Diamanten«, platzte Salome heraus, aber alle, sogar ihre Schwester, schenkten ihr rügende Blicke. Das Mädchen zog einen Schmollmund und schwieg.
    Valerian erhob sich. »Jetzt weißt du, Mutter, warum man mir den Tag freigegeben hat. Ich bin hier, um Abschied zu nehmen.«
    Madeleine sank unmerklich in sich zusammen und schwieg.
    Cendrine und Adrian wechselten einen Blick. Eine Weile lang konnte Cendrine nichts sagen, sich nicht einmal bewegen, so sehr verstörte sie die

Weitere Kostenlose Bücher