Göttin der Wüste
verwirrt, während Adrian gebannt auf die Lippen seines Bruders starrte und wartete, daß er endlich weitersprach.
»Gouverneur Leutwein hat alle Garnisonen in Alarmbereitschaft versetzen lassen«, sprudelte es aus Valerian hervor. »Wir haben es heute morgen gleich nach dem Wecken erfahren. Von Zesfontein bis Lüderitzbucht werden die Wachmannschaften verstärkt.«
»Was ist denn geschehen?« fragte Adrian.
Valerian hörte ihn gar nicht, so außer sich war er. »Es heißt, zu Hause in Deutschland seien bereits mehrere Schiffe mit Nachschub ausgelaufen. Außerdem werden mehrere Kompanien nach Osten verlegt, um die Randgebiete der Kalahari zu überwachen.«
»Wegen der Engländer?« fragte Madeleine. »Das ist doch absurd. Wieso sollten die sich auf einen Krieg einlassen?«
»Nicht die Engländer«, entgegnete Valerian kopfschüttelnd. »Es geht um die Eingeborenen. Herero und Nama, aber vielleicht auch noch andere. Es heißt, sie planen einen Aufstand.«
Adrian winkte ab. »Das heißt es dauernd. In den letzten Jahren ist nicht viel dabei herausgekommen.«
»Du mußt es ja wissen!« fuhr Valerian auf. »Wer hat denn den Kopf hingehalten für die Werte des deutschen –«
»Oh, ich bitte dich!« Adrian zog eine Grimasse. »Ich wußte gar nicht, daß du schon Kampfeinsätze hinter dir hast, lieber Bruder! Sollte mir tatsächlich entgangen sein, mit welchem Heldenmut du dich für uns alle aufopferst?«
Valerian sprang auf, aber Madeleine hielt ihn mit einer scharfen Handbewegung zurück. »Setz dich hin! Und du, Adrian, sei still. Valerian dient immerhin in der Armee. Wer weiß, was ihm noch bevorsteht.«
»Ruhm und Ehre, ohne Frage«, entgegnete Adrian ruhig.
Sein Zwillingsbruder warf ihm einen zornigen Blick zu, nahm aber widerstrebend Platz. »Tatsache ist, daß es im Süden Unruhen unter den Nama gegeben hat, und auch die Herero verhalten sich in letzter Zeit auffällig. Im Fort wird gemunkelt, eine Botschaft sei abgefangen worden, von einem Hereroführer an einen seiner Stammesführer. Darin soll von Umsturzplänen die Rede sein.«
Cendrine wurde mit jedem Wort unbehaglicher zumute. Sie bemerkte, daß Salome und Lucrecia sich an den Händen faßten. Sie hätte die Mädchen beruhigen müssen, aber im Augenblick war sie selbst kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Ein Aufstand der Eingeborenen! Schlagartig trat ihr vor Augen, was Adrian ihr über Titus’ Begegnung mit den Damara-Rebellen erzählt hatte.
Madeleine blieb immer noch bemerkenswert gefaßt. »Hat es Überfälle gegeben? Raubzüge? Tote auf der einen oder anderen Seite?«
Valerian schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Aber der Sturm kann jeden Tag losbrechen.«
»Wir werden die Wachen verstärken«, entschied Madeleine. »Das sollte ausreichen.«
»Beunruhigen Sie solche Nachrichten denn überhaupt nicht?« fragte Cendrine verwundert. Obwohl sie Valerian nicht mochte, tat er ihr nun ein wenig leid. Immerhin hatte er den langen Ritt von Windhuk hierher auf sich genommen, um die Familie zu warnen.
»Ach, meine Liebe«, sagte Madeleine, »mir sind in all den Jahren hier unten so viele Gerüchte über Aufstände zu Ohren gekommen, daß ich sie gar nicht zählen kann. Hin und wieder ist es zu Gewaltakten gekommen, meist im Süden, aber bis hierher sind derlei Unannehmlichkeiten nie gedrungen.«
»Lord Selkirk wäre da vielleicht anderer Meinung«, wandte Adrian spöttisch ein, bevor Cendrine es tun konnte.
Seine Mutter gab einem Dienstmädchen mit einem Wink zu verstehen, ihre Tasse nachzufüllen. »Selkirks Tod liegt Jahrzehnte zurück. Während all dieser Zeit sind große Bemühungen unternommen worden, dieses Land zu zivilisieren. Ich will nicht behaupten, daß wir damit Erfolg hatten, aber ich bezweifle, daß sich noch einmal genügend Querköpfe zusammenrotten können, um wirklichen Schaden anzurichten.«
»Vielleicht«, sagte Valerian, der sichtlich mit seinem Unmut zu kämpfen hatte. »Aber wir wissen noch immer nicht viel über die Beziehung zwischen den einzelnen Stämmen und Völkern. Was, wenn schon seit Jahren ein geheimes Bündnis existiert und sie sich ganz allmählich auf den Augenblick der Rebellion vorbereiten?«
»Erzählen euch das eure Offiziere?«
»Ich weiß nicht, warum du so unvernünftig bist, Mutter!« entfuhr es Valerian erregt. »Wenn es wegen deiner Pläne für das Hotel ist, hat es wenig Sinn, die Wahrheit einfach abzuleugnen.«
Wut blitzte in Madeleines Augen, als sie aufschaute. »Ich habe
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