Göttin des Frühlings
du das sagst, aber das ändert rein gar nichts.«
»Weißt du noch, Carolina, wie du ganz aufgelöst zu meinem Orakel kamst, weil du ein falsches Urteil gesprochen hattest?«, fragte Demeter.
»Ja, ich hätte Eurydike beinahe großes Leid zugefügt, weil ich eine Entscheidung traf, ohne sie richtig zu bedenken.«
»Weißt du auch noch, was ich dir damals sagte?«
»Dass ich aus meinen Fehlern lernen soll«, sagte Lina.
»Genau, und ich habe mich an meinen eigenen Rat gehalten. Auch ich hatte meine Entscheidung nicht gründlich genug durchdacht. Und aus meinem Fehler habe ich gelernt, dass selbst eine Göttin von ihren Töchtern überrascht werden kann.« Demeter schenkte den beiden Frauen ihr seltenes Lächeln. Dann widmete sie Lina wieder ihre volle Aufmerksamkeit. »Hades war aufrichtig zu dir. Er war immer schon anders als die übrigen Unsterblichen. Ich glaube, dass der Herr der Unterwelt sich wirklich in dich verliebt hat, Carolina.«
»Deshalb will ich dir einen Vorschlag machen«, sagte Persephone. »Du liebst Hades. Ich liebe deine Bäckerei und deine Welt. Warum sollen wir für alle Zeiten ohne unsere Liebe leben?«
»Aber Hades …«, widersprach Lina.
»Lass mich ausreden«, unterbrach Persephone sie. »Als Göttin des Frühlings muss ich sechs Monate in meiner Welt sein, dann hab ich, wie du sagen würdest, meinen Job bis zum nächsten Frühjahr erledigt. In der Zwischenzeit könnte ich hierherkommen. Und während ich hier bin, könntest du als Königin in die Unterwelt gehen.«
In Linas Kopf drehte sich alles. »Ich würde wieder vorgeben, du zu sein?«
»Nein.« Persephones Lächeln war undurchschaubar. »
Du
würdest überhaupt nichts vorgeben müssen. Von den Tieren bis zu den Geistern wussten alle, dass ich nicht du bin. Du wirst ihnen nichts vormachen, Carolina, du bist ihre Königin. Du wirst einfach nur zeitweise in meinem Körper wohnen, weil ich deinen hier brauche. Ich werde diejenige sein, die sich als jemand anders ausgeben muss.«
»Nein«, sagte Lina.
»Warum nicht?« Persephone seufzte leidend. »Ach, ich verspreche dir auch, dass ich alle Scotts vor deiner Rückkehr gewissenhaft entsorge.«
»Darum geht es nicht«, sagte Lina.
»Um was geht es dann?«
»Er will mich nicht, Persephone. Er hat mir gesagt, er würde meine Seele lieben, doch als er mein wahres Ich sah, verschmähte er mich.«
»Lina, er war bloß überrascht«, erwiderte die Frühlingsgöttin.
»Du hast sein Gesicht nicht gesehen.«
»Aber ich«, mischte sich Demeter ein. »Und was ich darin sah, waren Überraschung und Schmerz. Ich habe weder Verachtung noch Verschmähung gesehen.«
»Dann hast du mehr gesehen als ich«, bemerkte Lina.
»Vielleicht machst du gerade einen Fehler, Carolina«, gab Demeter zurück.
»Kann sein, aber was ist, wenn nicht?« Bei der Erinnerung an Hades’ Ablehnung stieg Übelkeit in Lina auf. Sie blickte finster drein. »Ich ertrage es nicht, wenn er mich noch einmal so ansieht. Und was ist, wenn er nett zu mir wäre? Das könnte sogar noch schlimmer sein. Wie würde ich jemals wissen, dass es nicht einfach nur dein Körper ist, den er begehrt?«
»Kannst du es denn ertragen, für alle Zeit ohne ihn zu leben?«, fragte Persephone mitfühlend.
Tränen rannen aus Linas Augen und hinterließen glänzende Spuren auf ihren Wangen. »Nicht ertragen würde ich es, wenn er sich erneut von mir abwenden würde – oder wenn er mich nur deshalb nähme, weil er etwas in mir sähe, das ich nicht bin.«
»Treffe keine Entscheidung, bevor du sie nicht gründlich durchdacht hast«, sagte Demeter.
»Ja, versprich mir, dass du meinen Vorschlag überdenkst«, ergänzte Persephone. »Hier ist es gerade Herbst geworden. Du hast Zeit bis zu den ersten Frühlingstagen, dann komme ich zurück und erwarte deine endgültige Entscheidung.«
Sie wischte eine Träne von Linas Wange. Dann wurde das Lächeln der Göttin bittersüß. Sie griff unter ihren Pulli und umfasste eine versteckte silberne Kette. Ohne ein Wort zu sagen, zog sie sie über den Kopf. In der Narzisse aus Amethyst fing sich das Licht der Bäckerei, sie funkelte.
»Die gehört dir«, sagte sie und zog sie Lina vorsichtig über den Kopf. »Die Kette war zerrissen, sie ist geflickt. Ich habe sie nicht ersetzen lassen. Sie ist noch genau so, wie du sie zurückgelassen hast.«
»Oh«, sagte Lina schluchzend. Sie schlang die Finger um die Blüte, die so liebevoll für sie geschliffen worden war. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich
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