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Göttin des Frühlings

Göttin des Frühlings

Titel: Göttin des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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Doch genauso wenig war er der hölzerne Kerl, den Demeter beschrieben hatte. In sehr kurzer Zeit war er eindrucksvoll, sexy, einschüchternd und freundlich gewesen. Alles andere als ein langweiliger, asexueller, desinteressierter Totengott. Was führte Demeter tatsächlich im Schilde? Nun, Lina war kein dummes junges Ding, das gerade vom Heuwagen gefallen war. Sie würde die Augen offen halten und auf der Hut sein. Sie hatte eine Aufgabe zu erledigen. Das würde sie tun, dann würde sie nach Hause gehen.
    Hades schlug mit den Zügeln, und der Streitwagen setzte sich wieder in Bewegung. Diesmal, stellte Lina erleichtert fest, mit moderater Geschwindigkeit. Der Wald zu beiden Seiten des Wegs war dicht und sah alt aus. Exotische Vögel spielten flatternd in den Zweigen und zwitscherten mit melodischen Stimmen. Die Wurzeln der Zypressen waren von einem dichten Teppich der unverwechselbaren Narzissen überzogen, und gelegentlich hörte Lina das flüsternde Plätschern eines Flüsschens oder erblickte einen kristallklaren See, in dem sich der aquarellfarbene Himmel spiegelte. Von Zeit zu Zeit glaubte sie, die irrlichternden Gestalten von Geistern zu sehen, doch wenn sie versuchte, sich auf die flüchtigen Bilder zu konzentrieren, verschwanden sie, und von anderen Seelen wurden sie nicht begleitet.
    »Das ist so wunderschön«, sagte Eurydike mit der Flüsterstimme eines Kindes in der Kirche.
    »Allerdings«, stimmte Lina ihr zu. Dann schielte sie hoch zu der Lichtkugel über ihrer Schulter. Sie hob die Hand und schob sie unter den Ball. »Sieht so aus, als würden wir dich nicht mehr brauchen.« Sofort reagierte das Licht, hüpfte auf Linas Handfläche und verschwand mit einem ploppenden Geräusch unter ihrer Haut. Ihr Handteller kribbelte, und sie musste sich zusammenreißen, um ihn nicht am Gewand zu reiben. Stattdessen strahlte sie Eurydike an und tat so, als sei es normal, dass Lichtwesen in ihrer Haut verschwanden.
    »Siehst du«, sagte sie zu dem Mädchen, »du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Hier ist nichts Furchtbares oder Schreckliches.«
    Der düstere Gott neben ihnen nickte zustimmend und lächelte den kleinen Geist freundlich an. »Für jemanden wie dich, mein Kind, braucht der Tod keinen Schrecken zu haben. Du magst bis in alle Ewigkeit die Freude der elysischen Gefilde genießen oder, wenn es dir lieber ist, von Lethe trinken, dem Fluss des Vergessens, und wiedergeboren werden, um noch ein sterbliches Leben zu führen.«
    Lina versuchte, ihre Überraschung zu verbergen. Seelen konnten sich aussuchen, ob sie wiedergeboren werden wollten? Sie sah das Mädchen an, das schweigend im Schutz ihrer Arme stand. Es war so jung gestorben. Sicherlich würde Eurydike die Möglichkeit haben wollen, wiedergeboren zu werden und ein langes, erfülltes Leben zu führen.
    »Das klingt ja wunderbar, Eurydike. Du könntest dich hier eine Weile ausruhen. Vielleicht möchtest du durch die Gefilde streifen, als wärst du auf einem Kurzurlaub – so wie ich!« Lina grinste sie an. »Dann trinkst du aus dem vergesslichen Fluss und kannst ein neues Leben anfangen.«
    Lina verging das Lachen, als sie merkte, dass Eurydikes bereits blasses Gesicht zu einem fast farblosen Weiß erbleichte. In ihren Augen stand ein großer Schrecken.
    »Was ist denn, Mäuschen?«, fragte Lina.
    »Warum kann ich nicht bei dir bleiben, Persephone?«, flehte Eurydike verzweifelt. »Ich möchte nicht wiedergeboren werden. Das will ich nicht, selbst wenn ich mein vergangenes Leben vergesse, könnte ich dieselben Fehler machen, könnte dieselbe Wahl treffen …« Ihre Stimme verlor sich in einem Schluchzer. Sie schlug die Hände vors Gesicht.
    Lina warf Hades einen hilflosen Blick zu und nahm das Mädchen in die Arme. Der Gott musterte den jungen Geist mit wissenden Augen.
    »Entspanne dich, Kind«, sagte er. »So lange deine Göttin in der Unterwelt bleibt, wirst du bei ihr sein können. Jetzt hör auf, du musst nicht weinen. Das Elysium ist für jeden sterblichen Geist anders – dein Elysium wird schlicht an Persephones Seite zu finden sein.«
    Lina lächelte Hades dankbar an. Eurydike war einfach nur jung und verängstigt. Wenn Hades dem Mädchen erlaubte, bei ihr zu bleiben, hätte Eurydike sechs Monate Zeit, um sich einzuleben. Wenn Lina dann aufbrechen müsste, würde sich die Kleine so an die Unterwelt gewöhnt haben, dass die Abwesenheit ihrer Göttin sie nicht mehr stören würde. Vielleicht konnte Lina sie sogar überreden, wiedergeboren

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