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Göttin des Frühlings

Göttin des Frühlings

Titel: Göttin des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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geliebt hatte und abgelehnt worden war, und die daher genau verstand, wie Dido sich fühlte.
    »Nein. Ich bin mit deiner Entscheidung nicht einverstanden.«
    Überrascht von ihrer Erwiderung, fragte Hades: »Könntest du mir das erklären?«
    »Dido hat die Sache mit Äneas noch nicht überwunden. Sie ist noch immer tief verletzt und gibt sich selbst die Schuld. Sie fühlt sich noch immer als Opfer. Welche Lektion sie am Fluss der Klagen auch lernen sollte, sie ist noch nicht bei ihr angekommen.«
    Hades spürte Wut in sich aufsteigen. Was wusste Persephone schon von Liebe und Verlust? Sie war eine junge Göttin, die immer alles bekommen hatte, was sie wollte.
    »Und woher willst du das wissen?«
    Als Lina seinen herablassenden Tonfall hörte, kniff sie die Augen zusammen, fing sich aber, bevor sie ihm eine spitze Bemerkung entgegenschleudern konnte. Für Hades war sie nur eine junge Göttin. Er konnte nichts von ihrer wahren Vergangenheit und ihrem Herzschmerz ahnen. Lina atmete mehrmals tief durch und zügelte ihr Temperament, ehe sie zu erklären begann.
    »Nun, es gab zwei eindeutige Hinweise. Erstens war das Wegsehen und Weinen ein todsicheres Zeichen. Entschuldige die Wortwahl. Zweitens: Hast du genau gehört, was sie gesagt hat?« Lina fuhr schnell fort, ohne ihm eine Möglichkeit zum Antworten zu geben. »Ihr ganzer Vortrag bestand nur aus ich, ich, ich und ich arme, arme Frau. Wenn man dann noch ›Es ist nicht sein Fehler, sondern meiner‹ dazu nimmt, hat man einen lupenreinen Opferkomplex. Die Frau muss nicht ins Paradies, sie muss in die Sporthalle oder vielleicht zu einem Seelenklempner und dort ihren Selbsthass abarbeiten.« Abrupt hielt Lina inne und fragte sich, ob Hades eine Ahnung hatte, was ein Seelenklempner war.
    Er neigte den Kopf zur Seite und sah sie an, als sei sie ein sehr interessantes wissenschaftliches Experiment. Dann machte er etwas, das sie wirklich empörte: Er lächelte. Und schmunzelte.
    Lina biss die Zähne aufeinander und versuchte, tief in sich, irgendwo hinter Persephones jugendlicher Niedlichkeit, ihre eigene Stimme zu finden. Sie wurde mit einem stählernen Ton belohnt, der eine befriedigend sarkastische Note hatte.
    »Du brauchst nur einen zu überprüfen: diesen Äneas. Ich wette einen von deinen Diamantleuchtern gegen eine von Demeters goldenen Kronen, dass er im Elysium ist. In eben dem Elysium, in das Dido sich gerade hineingeschwindelt hat. Ich schätze auch, dass er noch nicht lange dort ist – nur dadurch ist nämlich ihr plötzliches Interesse entstanden, ins Elysium zu gelangen.«
    Hades’ Schmunzeln erstarb, sein Blick wurde ausdruckslos. »Vielleicht möchte die junge Frühlingsgöttin Gelegenheit haben, mehr zu tun als lediglich zu beobachten und zu kommentieren. Die nächste Entscheidung triffst du, Persephone. Das Schicksal wiederum wird zeigen, wie wohl du entscheidest.«
    Lina nickte angespannt. Zwei Worte gingen ihr durch den Kopf:
Oh
Scheiße
.
    Iapis stieß den Speer des Gottes auf den Marmorboden, und das düstere Geräusch klang, als würde es das Ende der Welt verkünden.
    Diesmal löste sich nicht nur ein Schatten, sondere mehrere aus dem Torbogen und näherten sich dem Podium. Lina zählte fast ein Dutzend Geister. Ihr Herz klopfte, ihre verschwitzten Hände umklammerten die Armlehne ihres Stuhls. Dies waren nicht ein oder zwei einsame Bittsteller, es war eine ganze Horde. Sämtlich Frauen, jedoch unterschiedlichen Alters, und ihre geisterhaften Körper befanden sich in entsprechenden Zuständen. Einige waren fast so greifbar in ihrer Gestalt wie Eurydike, andere so durchsichtig, dass sie nahezu inexistent waren. Sie bewegten sich in der Gruppe wie verängstigte Schafe, anfangs zögernd und unsicher, aber als sie Lina auf ihrem Stuhl neben Hades erblickten, kam eine erkennbare Veränderung über sie. Sie verloren ihre Schüchternheit und marschierten zielstrebig voran. Je näher sie dem Podium kamen, desto forscher wurden ihre Schritte. Als sie vor den Stufen angelangten, blieben sie schweigend stehen und starrten fasziniert zur Göttin empor. Dann fiel ein Geist, offenbar die Älteste der Gruppe, auf die Knie und senkte den Kopf. Der Rest der Frauen tat es ihr nach.
    Sehr lange, wie es Lina schien, sprach niemand, dann durchbrach Hades’ kräftige Stimme das Schweigen.
    »Welches Anliegen habt ihr heute mitgebracht?«
    Die älteste Frau hob den Kopf. Sie antwortete Hades, doch ihre leuchtenden Augen ruhten auf Lina.
    »Wir haben kein Anliegen,

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