Göttin des Frühlings
verließ den Thronsaal. Eurydike folgte ihm, als zöge er sie an einem unsichtbaren Faden hinter sich her. Sie stolperte die Stufen des Podiums hinunter, richtete sich auf und lief ihrem Mann mit ruckartigen Bewegungen nach. Einmal schaute sie sich über die Schulter um. Lina war entsetzt über den glasigen Ausdruck in den Augen des Mädchens. Eurydike sah aus, als würde sie Qualen leiden.
Eurydike und Orpheus mit seiner Musik verließen den Palast des Hades.
Der Gott sprach in die plötzliche Stille. »Die Audienz ist für heute beendet.«
Iapis pochte mit dem Speer auf den Marmorboden, und die Frauengruppe verneigte sich noch einmal vor Lina, ehe sie durch den Torbogen verschwand und sie mit Hades und Iapis zurückließ.
Keiner sagte etwas.
Lina bekam einfach nicht aus dem Kopf, wie Eurydike ausgesehen hatte, als sie ihrem Mann aus dem Saal gefolgt war. Das Mädchen hatte – Lina wickelte sich immer wieder eine Haarsträhne um den Finger – gezwungen gewirkt. Eurydike hatte gefangen ausgesehen. Nun, da Orpheus mit seiner verführerischen Musik verschwunden war und Lina die Szene noch einmal im Kopf durchging, fühlte sich alles falsch an. Ihr Instinkt sagte ihr eindringlich, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte.
»Ich begebe mich jetzt zurück auf mein Zimmer«, sagte Lina und versuchte dabei, ungezwungen zu klingen. Sie warf Hades ein kurzes Lächeln zu. »Danke für die Einladung. Ich fand es sehr interessant.« Mit angehaltenem Atem eilte sie die Treppen des Podiums hinunter und hoffte, Hades würde sie nicht zurückrufen. Zu Iapis, der am Eingang des Saals stand, sagte sie: »Kannst du mich zurück zu meinem Gemach bringen? Ich glaube, ich halte ein kleines Schläfchen. Diese aufregenden Gesuche haben mich erschöpft.«
Lina merkte, dass Iapis seinen Blick fragend über ihre Schulter richtete, doch offenbar erhielt er die Erlaubnis von Hades, denn er nickte Lina eifrig zu und führte sie aus dem Großen Saal. Als sie außerhalb von Hades’ Reichweite waren, blieb Lina stehen und zupfte den Daimon am Ärmel, damit er sich zu ihr umdrehte.
»Irgendetwas stimmt nicht mit Eurydike. Das kann ich spüren. Ich meine, solange Orpheus seine Musik spielte, habe ich es nicht gemerkt, aber kaum war er weg, veränderte sich alles«, sagte Lina.
»Was ist dein Wunsch, Göttin?«, fragte Iapis mit gesenkter Stimme.
»Ich muss den beiden nachgehen.« Bevor Lina den Satz aussprach, hatte sie nicht gewusst, was sie sagen würde, doch es fühlte sich richtig an. »Ich muss nachschauen und sichergehen, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, als ich sie zu ihm zurückkehren ließ.«
Iapis nickte feierlich. »Wir würden nicht wollen, dass es ihr schlecht geht.«
»Nein, das wollen wir nicht.«
»Komm hier entlang«, sagte der Daimon entschlossen. Er führte Lina eilig zum Haupteingang des Palastes. »Da drüben ist ein Pfad.« Er wies auf einen Weg aus schwarzem Marmor. »Sie hat nicht viel Vorsprung.«
»Danke, Iapis.« Impulsiv nahm Lina ihn in die Arme, dann eilte sie davon.
»Die Unterwelt steht dir offen, Göttin«, rief Iapis ihr nach. »Du magst auf eigenen Wunsch kommen und gehen. Eurydike gehört hierher. Auch sie hat Zugang zu diesem Reich. Aber Orpheus ist ein lebender Sterblicher. Sobald er durch das Tor geschritten ist, kann er zeit seines Lebens nicht mehr zurück.«
»Gut zu wissen«, rief Lina über die Schulter.
»Persephone verfolgt Eurydike?«, fragte Hades den Daimon.
»Ja.«
Ruhelos schritt der Gott durch den leeren Thronsaal. »Orpheus hat uns getäuscht. Seine Musik hat ein verführerisches Netz gewoben, doch seine Worte waren falsch. Der kleine Geist wollte ihm gar nicht folgen.«
»Da stimme ich zu, mein Herr«, sagte Iapis leidenschaftlich.
Hades blieb stehen. »Du machst dir etwas aus Eurydike.« Es war keine Frage.
»Ja«, erwiderte Iapis.
»Bist du dir sicher?«
»Eurydike bringt mich zum Lachen. Ich habe seit Äonen nicht mehr gelacht.«
»Kennst du auch ihr Herz?«, fragte Hades sanft.
»Dafür war noch keine Zeit, und sie ist noch so jung«, sagte Iapis hilflos.
Hades nickte. »Frauen sind schwierig.«
»Allerdings.«
»Bring mir meine Tarnkappe. Ich werde Persephone nachgehen. Vielleicht ist mein Eingreifen nötig, um diesen Fehler wiedergutzumachen.«
Erleichterung stand dem Daimon ins Gesicht geschrieben. »Danke, Herr.«
Hades’ Blick wurde warm, er griff nach Iapis’ Hand. »Du brauchst mir nicht zu danken, mein Freund.«
Iapis eilte
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