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Göttin des Frühlings

Göttin des Frühlings

Titel: Göttin des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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erledigen, und ich möchte dich nicht bitten, auf mich zu warten.«
    »Aber du wirst zum Palast des Hades zurückkehren?«
    Unter seiner Tarnkappe hielt Hades den Atem an und wartete bang auf Persephones Antwort.
    »Aber sicher! Ich muss nur noch einmal kurz mit Demeter sprechen.«
    Hades und Eurydike atmeten erleichtert auf.
    Das Mädchen verstand Persephones Bedürfnis, mit ihrer Mutter Kontakt aufzunehmen. In vielerlei Hinsicht hatte die Göttin die Rolle ihrer Mutter eingenommen. Eurydike nickte und lächelte. »Ich kann schon mal vorgehen zum Palast.«
    »Hast du keine Angst so allein?«
    »Nein. Ich gehöre hierher. Ich habe keine Angst.«
    Lina nahm die Kleine noch einmal in die Arme. »Es dauert nicht lange.«
    Lächelnd ging Eurydike durch das elfenbeinerne Tor. Als Lina wieder in den Wald trat, hörte sie die Stimme des Mädchens durch die Zweige hallen: »Ich werde dafür sorgen, dass ein Mahl für dich bereitsteht. Du wirst hungrig sein bei deiner Rückkehr, und ich muss sicherstellen, dass …«
    Lina lächelte. Eurydike würde klarkommen.
     
     
    Hades fühlte sich wie ein Voyeur, als er die arglose Persephone beschattete. Er sollte der Göttin eigentlich nicht weiter folgen. Eurydike war befreit; sie kehrte sicher in seinen Palast zurück. Das war schließlich der Grund dafür gewesen, dass er sich die Tarnkappe aufgesetzt hatte und ihnen gefolgt war. Und es war ein glaubwürdiger Grund gewesen. Nun sollte er in seinen Palast zurückkehren. Seine Aufgabe war erfüllt.
    Doch er kehrte nicht zurück. Er konnte nicht. Noch nicht. Er wollte ihr zusehen, wie sie so elegant zwischen den Bäumen hindurcheilte. Die Lichtkugel liebkoste ihre wunderschönen Züge wie ein helles Streicheln. Er beneidete das Licht.
    Schnell durchquerte sie den Tunnel, hielt kaum inne, bevor sie den Arm hob und das Licht zurück in ihre Hand rief. Dann trat sie aus der Unterwelt in das sanfte Glühen einer herrlichen Morgendämmerung. Hades folgte ihr.
    Persephone sah sich suchend um. Der Gott fragte sich, ob sie Angst hatte, dass Orpheus immer noch in der Nähe lauerte. Nein, erinnerte er sich: Der Sänger war vom rechtmäßigen Zorn der Göttin fortgeschleudert worden.
    Persephone musste wissen, dass der Jüngling weit weg war. Doch offensichtlich suchte sie etwas. Sie entfernte sich vom Tunnel und nahm den kleinen Pfad, der von duftigem Farn gesäumt wurde. Gelegentlich blieb die Göttin stehen und spähte ins Grün, als suche sie ein verlorenes Schmuckstück. Dann seufzte sie, murmelte etwas Unverständliches und ging weiter.
    Langsam stieg der Weg an, und bald stand Persephone am hohen Ufer des Averner Sees. Sie lächelte und atmete tief ein, genoss offenbar die Aussicht.
    Hades hätte ihr am liebsten zugerufen, der Averner See sei nichts im Vergleich zu den Wundern des Elysiums. Es gab Schönheit in seinem Reich, die sehr viel umwerfender war als ein einfacher See im banalen Licht vor Sonnenaufgang. Er knirschte mit den Zähnen. Hades wollte ihr die Großartigkeit seines Reiches zeigen und sehen, wie ihr Gesicht vor Begeisterung strahlte.
    »Da bist du ja!«
    Persephones Stimme klang erleichtert. Sie eilte zu einem Marmorbecken auf einer Säule seitlich des Weges. In dem Becken lag eine große Glaskugel. Sie war trüb, so als sei sie gefüllt mit Sahne. Hades erkannte darin das Orakel einer Gottheit.
    Vor dem Orakel blieb Persephone stehen. Sie zögerte. Für Hades sah es aus, als sei sie fast unsicher, was sie als nächstes tun solle. Dann schloss sie die Augen, als müsste sie sich sehr stark konzentrieren. Kurz verzogen sich ihre vollen Lippen zu einem Lächeln. Ohne weiteres Zögern bewegte sie die Hände dreimal über die Kristallkugel, bis sich darin etwas zu regen begann.
    »Demeter«, sprach Persephone hinein. »Ich habe es fast verbockt. Und wie.«
    Das Gesicht der Erntegöttin erschien in der Kugel.
    »Du verwendest das Wort ›fast‹, was bedeuten muss, dass du deinen Fehler ausgebügelt hast«, erwiderte Demeter. Ihre Stimme klang ein wenig hohl und unnatürlich durch das Orakel.
    Persephone seufzte. »Ja, aber wenn ich das nicht geschafft hätte, hätte mein Fehler für ein nettes junges Mädchen ein Leben voller Elend bedeutet.«
    »Eine Göttin zu sein, bewahrt uns nicht vor Fehlern. Wir können alle nur nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Manchmal machen auch wir Fehler.«
    Persephone wickelte sich eine lange Haarsträhne um den Finger.
    »Ich möchte keine Fehler machen, die anderen Schmerzen

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