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Göttin des Frühlings

Göttin des Frühlings

Titel: Göttin des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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bereiten.«
    Hades zwang sich, Abstand zu nehmen. Schnell zog er sich zurück in den Tunnel. Er war schon zu lange in die Privatsphäre der Göttin eingedrungen. Sein Gewissen gestattete es ihm nicht, Persephones Gespräch mit ihrer Mutter noch länger zu belauschen. Er riss sich die Tarnkappe vom Kopf. Sie war nicht als Lauschhilfe gedacht. Sie sollte mit gutem Grund verwendet werden, nicht aus Selbstsucht. Er schämte sich. Hatte er nicht kurz zuvor Stheneboia wegen ihres Egoismus’ beschimpft?
    Noch nie zuvor hatte er sich so benommen. Er war kein unreifer Junge mehr. Er wusste, dass man mit Heimlichtuerei und Spionieren nicht das Herz einer Göttin gewinnen konnte.
    Hades hielt inne.
    War das etwa sein Wunsch, das Herz von Persephone zu gewinnen?
    Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er wollte sie. Sein Körper sehnte sich schmerzhaft nach ihr. Seit Ewigkeiten hatte er gedacht, sein Anderssein bewahre ihn irgendwie vor den alltäglichen Gelüsten der anderen Götter. Er ging Frauen aus dem Weg, sterblichen wie unsterblichen, weil er von Natur aus so geschaffen war, dass bedeutungslose Leidenschaft und kurzlebige Affären ihm nicht ausreichten. Ungezählte Jahre hatte er unter den Seelen der Toten das gesehen, was die Sterblichen so gut kannten: die ewige Verbindung von Seelenverwandten. Zeuge dieser einzigartigen, unvergesslichen Innigkeit zu sein, hatte sein Anderssein, das immer schon ihn ihm angelegt gewesen war, noch verfestigt. Alles andere als ein Bund für die Ewigkeit würde ihm niemals genügen.
    Oh, er hatte es versucht – vor Jahrhunderten. Sein Magen zog sich noch immer zusammen, wenn er an seine einzige sterbliche Geliebte dachte, Minthe. Bei einem seiner seltenen Ausflüge in die Welt der Lebenden war er auf das Mädchen gestoßen. Sie hatte Blumen für ihr erstes Fruchtbarkeitsritual gesammelt, und sein Erscheinen war für sie wie eine Antwort auf ihre Gebete gewesen. Hades hatte sie genommen, dort auf jener duftenden Wiese, und oft hatte er sie dort besucht, bis sie schwor, dass sie ihn liebte, dass sie ihre Heimat verlassen und für immer bei ihm bleiben würde.
    Zurückblickend staunte er über seine eigene Naivität. Immer noch erschrak er bei der Erinnerung an ihren hysterischen Ausbruch, als er sich ihr schließlich als Herr der Toten vorgestellt hatte. Er konnte noch alles vor seinem inneren Auge sehen. Auf ihrer blinden Flucht vor ihm hatte sich Minthe von einer Klippe gestürzt, aber er hatte sie in der Luft aufgefangen, ehe sie ihrem eigenen Leben ein Ende setzen konnte. Statt das Mädchen zu einer Ewigkeit des Leids in seinem Reich zu verdammen, hatte Hades sie mit seiner unsterblichen Macht in ein frisch duftendes Kraut verwandelt, das sowohl ihre zarte Schönheit wie auch ihren Namen für immer bewahrte.
    Anders als sterbliche Frauen hatten Göttinnen keine Angst vor ihm, doch verstehen konnten sie ihn genauso wenig. Sie verachteten ihn, hielten ihn für düster und ernst, weil er die Unterwelt regierte. Bis auf Persephone hatte sich noch keine Göttin die Mühe gemacht, sein Reich zu besuchen. Er schnaubte verächtlich. Sicher hatte er auch nie Lust gehabt, eine Einladung auszusprechen. Göttinnen konnten nicht wirklich treu sein, nicht wirklich lieben. Man musste sich nur Athene ansehen, sie betrog sogar ihren teuren Odysseus, indem sie ihn zwanzig Jahre umherirren ließ, bis er heimkehren durfte zu seiner treuen Frau.
    Hades hatte sich ohne Schwierigkeiten selbst überzeugt, dass es keine Partnerin für ihn gab. Sterbliche Frauen mussten sterben, um für immer an seiner Seite zu regieren, deshalb hatten sie Angst vor ihm und mieden ihn. Göttinnen waren unsterblich und konnten ihm daher nie wirklich gehören.
    Er war damit zufrieden gewesen, sein Reich zu regieren und inmitten der Schönheit der elysischen Gefilde und der Wunder seines Palasts zu leben.
    Doch jetzt nicht mehr.
    Spöttisch verzog er die Lippen. Der Gott der Toten begehrte die Frühlingsgöttin.
    Selbst für ihn klang das unmöglich.
    Dann dachte er an das strahlende Lächeln der Göttin und das kindliche Staunen, mit dem sie auf sein Reich reagierte. Andererseits legte sie durchgängig eine Reife an den Tag, die ihr jugendliches Aussehen Lügen strafte. Sie war anders als die anderen Göttinnen – das hatte sie bewiesen. Aber war sie anders genug, um ihn zu lieben?
    Wie warb man um Persephone? Nachdenklich lief er auf und ab über den dunklen Pfad. Dann blieb er plötzlich stehen. Er hatte eine Idee. Sein

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