Göttin des Frühlings
wie ich das mit Persephone gemacht habe«, sagte Eurydike.
Lina ging einen Schritt schneller, damit die leichte Brise im Hof ihre errötende Haut kühlte. Sie fühlte sich bereits wie eine aufgezogene Feder. Ganz bestimmt brauchte sie sich nicht vorzustellen, wie Hades’ nackter Körper gebadet und eingeölt wurde. Sie eilte am großen Brunnen in der Mitte und an den hübschen Statuen vorbei und war erleichtert, als sie endlich das schmiedeeiserne Tor erreichte.
»Ich glaube, ich bleibe hier, Persephone«, rief Eurydike hinter ihr. Der kleine Geist wies auf eine Ansammlung von Narzissen. »Ich kann schon ein paar vorbereitende Skizzen machen, während du mit Hades ausreitest.«
»Und ich muss die entsprechenden Utensilien für deine Künstlerin besorgen«, sagte Iapis, ohne Eurydike aus den Augen zu lassen.
»Benehmt euch. Ich bin bald zurück«, sagte Lina.
Das Pärchen winkte ihr nach, und als die Göttin sich nach wenigen Schritten zu den beiden umdrehte, sah sie, dass sie bereits die Köpfe zusammensteckten. Auf Eurydikes mädchenhaftes Kichern folgte der tiefe Bass von Iapis’ Lachen. Lina durfte nicht vergessen, mit Hades über die beiden zu sprechen. Iapis schien ein netter Kerl zu sein – wenn »Kerl« das richtige Wort bei einer Halbgottheit war –, doch was genau hatte er für Absichten? Eurydike erholte sich gerade von einer schlimmen Beziehung, ganz abgesehen davon, dass sie erst vor kurzem gestorben war. Das musste sie doppelt verletzlich machen. Etwa nicht? So oder so war Lina für sie verantwortlich und wollte nicht, dass der Geist verletzt wurde. Man sollte Iapis bitten, es langsam angehen zu lassen. Eurydike musste vorsichtig und respektvoll behandelt werden.
Ein ohrenbetäubendes Wiehern ließ Lina innehalten und riss sie aus ihren Gedanken. Orion stand draußen vor dem Stall. Seine Mähne war gekämmt worden; Bänder in der Farbe des Mondlichts waren hineingeflochten, dieselbe Farbe wie die Narzisse, die im Genickstück seines Zaumzeugs steckte. Als der Hengst die Göttin erblickte, senkte er den Kopf, schnaubte und machte ein paar tänzelnde Schritte. Neben ihm stand ein zweiter, der sein Zwillingsbruder hätte sein können, nur dass sich vom nachtschwarzen Fell dieses Pferdes ein einziger weißer Fleck auf der Stirn in Form eines schiefen Sterns absetzte. Die beiden Rösser waren fast so prächtig wie der Gott, der ihre Zügel hielt. Eindrucksvoll gebieterisch sah Hades seinen Leithengst an.
»Beruhige dich, du großes dummes Tier«, sagte er zu Orion. »Du siehst doch, dass Dorado nicht so einen Aufstand macht.«
Lina eilte zu den dreien und versuchte, nicht zu offensichtlich auf die muskulösen Arme und Schultern des Gottes zu starren, der Orion am Zügel hielt. Er trug wieder eine kurze Tunika, die einen gründlichen Blick auf seine Armmuskeln wie auf seine Beine gestattete. Sein schwarzer Umhang umwehte ihn. Batman. Eine ergötzliche mystische Ausgabe von Bruce Wayne. Lina riss sich zusammen, um sich nicht frische Luft zuzufächeln.
»Schimpf nicht mit ihm! Ich finde, er ist unverbesserlich, aber liebenswert«, sagte sie mit flatterndem Herzen. Sie wandte den Blick von Hades ab und legte die Wange an Orions weiche Nüstern, der zur Begrüßung an ihr schnupperte. »Du freust dich einfach, mich zu sehen, nicht wahr, mein Schöner?«
Hades meinte genau zu wissen, wie der Hengst sich fühlte; er selbst verspürte bei ihrem Anblick den lächerlichen Drang, in lauten Jubel auszubrechen. Persephone war in ein langes Tuch aus feinem Leinen gewandet, dessen Rock so weit war, dass sie angenehm damit reiten konnte. Wenn eine Brise aufkam, presste der Wind den halbdurchsichtigen Stoff an ihren Körper und zeichnete ihre prallen Brüste und ihre herrlich geschwungene Taille nach. Hades wünschte sich, noch mehr Wind bestellt zu haben. Eifersüchtig sah er zu, wie sie Orion streichelte, und fühlte sich gleichzeitig wie ein schlichter Trampel, weil er eifersüchtig auf ein Pferd war.
Dorado wieherte der Göttin völlig hingerissen zu. Um die Initiative nicht gänzlich zu verlieren, sagte Hades: »Persephone, ich glaube, du bist noch nicht offiziell mit Dorado bekannt gemacht worden. Er ist kein ganz so guter Leithengst wie dein Orion, aber er ist der schnellste der vier.« Liebevoll tätschelte er den glänzenden Hals des Pferdes.
Lina streichelte Dorados Kopf. »Freut mich, dich kennenzulernen, Dorado. Schneller als Orion, ja?« Sie warf Hades einen kecken Blick zu. »Das bedeutet wohl,
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