Göttin des Frühlings
Wange. Seine Stimme war belegt. »Wirklich, ich habe dich nicht hergebracht, um dich zu verführen, ich stelle nur fest, dass ich meine Gedanken nicht von dir fernhalten kann … und meine Hände ebenso wenig. Ich begehre dich mehr als alles andere, Persephone – mögen die Götter mir helfen«, schloss er schnell.
»Dann mögen die Götter uns beiden helfen, Hades«, gab Lina zurück. Und als seine Lippen ihre fanden, weigerte sie sich, an Demeter oder den nächsten Tag zu denken.
Sanft brach Hades den Kuss ab, so lange er sich noch unter Kontrolle hatte. Sie war so weich und offen. Dass sie ihn begehrte, war offensichtlich, doch Hades wollte mehr besitzen als nur ihren Körper. Er wollte ihre Seele. Mit einer unendlich zärtlichen Geste zupfte er seinen Umhang um ihre Schultern zurecht und schob ihren Arm unter seinen.
»Die Nacht wird kalt. Wir sollten in den Palast zurückkehren.« Er schob ihr eine lange Locke aus dem Gesicht und bemerkte die Enttäuschung, die in ihren Augen aufblitzte. Gut, dachte er. Er wollte, dass sie ihn begehrte und sich nach ihm sehnte, bis sie mehr von ihm wollte als nur seinen Körper.
Er führte sie zu dem Pfad, der sie zum Palast zurückbrachte. In Linas Kopf drehte sich alles. Ihr Körper war noch immer erhitzt, ihre verstärkte Empfindsamkeit vereinte sich mit der unglaublichen Schönheit der Szene, die sie gerade zwischen den Seelenverwandten beobachtet hatte. Die Innigkeit zwischen den Liebenden hatt sich in sie eingebrannt. In ihrer Hand fühlte sie den Puls von Hades’ Blut, gleichmäßig und kraftvoll. Er hatte sie dorthin gebracht, um die Wiedergeburt der Seelenverwandten mitzuerleben, doch er hatte es nicht als Mittel zur Verführung missbraucht – falls das seine Absicht gewesen war, hätte er sie direkt dort im Wald nehmen können. Hatte er aber nicht. Offensichtlich wollte Hades mehr von ihr als Sex.
Obwohl Linas Alarmglocken schrillten, hüpfte ihre Seele. Liebe – er hatte ihr seine Vorstellung von Liebe gezeigt. Hatte er nicht schon vorher gesagt, dass die Sterblichen seiner Meinung nach die Liebe besser verständen als die Götter? Hatten Götter Seelenverwandte? Lina hatte keine Ahnung. Über die Unsterblichen wusste sie nur das, was sie vor Jahrzehnten überflogen hatte. Sie konnte sich nur noch erinnern, dass die alten Gottheiten launisch waren und ihre Geliebten ohne großes Federlesen wechselten. Das passte nicht zu dem, was sie über den Gott wusste, der neben ihr ging.
Sie schielte hoch zu seinem dunklen Profil. Wer würde je glauben, dass sie solche Lust und Liebe im Land der Toten gefunden hatte? Er spürte ihren Blick und schaute sie an. Seine Lippen zuckten, seine Mundwinkel zogen sich nach oben.
»Du siehst aus, als würden dir viele Fragen durch den Kopf gehen. Du weißt doch, dass ich dir bereits die Erlaubnis gegeben habe, mich alles zu fragen, was du willst. Ich verspreche dir, dass ich meine Manieren nicht mehr vergesse und dich als meinen Gast nicht beleidige.«
Lina lief rot an und hoffte, dass die Dunkelheit ihre Wangen verbarg. Sie hatte völlig vergessen, dass sie ihn angefahren und er sich umgehend zurückgezogen hatte. Es kam ihr vor, als sei es ewig her und als seien sie damals zwei völlig andere Menschen gewesen. Sie lehnte sich gegen ihn, genoss die Kraft seiner Arme und die Aufmerksamkeit, mit der er sich über sie beugte.
»Das war magisch, was wir heute Nacht gesehen haben«, sagte sie.
»Ja, es war die perfekte Form von Magie – die von der Seele selbst geschaffen wird und nicht künstlich von den Göttern herbeigeführt.«
»Bringen nicht die Götter die Seelenverwandten zusammen?«
Hades schnaubte verächtlich. »Nein. Sterbliche Seelen finden ihren Gegenpart von selbst; sie haben die aufdringlichen Hände der Gottheiten nicht nötig.«
Seine Worte brachten Lina auf eine andere Frage.
»Können Tote sich verlieben?«, wollte sie wissen und dachte dabei an die schüchternen Blicke, die Eurydike Iapis inzwischen zuwarf. »Oder besitzen nur Seelenverwandte die Fähigkeit, nach dem Tod weiterzulieben?«
»Diese Frage kannst du dir selbst beantworten, Persephone.«
Lina schaute stirnrunzelnd zu ihm auf, doch sein Tonfall war eher lehrerhaft, nicht herablassend.
»Denk nach, Göttin! Was ist es in uns, das liebt? Der Körper oder die Seele?«
»Wenn du die wahre Liebe meinst und nicht nur Lust oder Schwärmerei, dann würde ich sagen: die Seele.«
Hades nickte. »Der Körper ist lediglich eine Hülle, ein
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