Göttin des Lichts
wie Signalfeuer zum Himmel. Stretchlimousinen setzten elegant gekleidete Paare vor der Tür ab, Hoteldiener wuselten herum wie livrierte Mäuse.
»Γαρώτο!«, fluchte Apollo auf Griechisch, als er zutiefst erschrocken die vielen Autos bemerkte. Zeus hatte darauf bestanden, dass Bacchus jedem Unsterblichen, bevor dieser das Portal durchquerte, die modernen Verkehrsmittel, den Umgang mit menschlichem Geld, mit Elektrizität und auch mit dem bemerkenswerten Kommunikationssystem namens Internet erklären musste, und so war Apollo zwar in der Lage, den Irrsinn, der sich vor seiner Nase abspielte, zu identifizieren. Aber die monströsen Fahrzeuge, die aussahen, als wären sie lebendig, mit eigenen Augen zu sehen, war weit überwältigender, als er erwartet hatte. Um sich etwas zu fassen, konzentrierte er sich auf den vertrautesten all der bizarren Anblicke – den Brunnen – und rief sich ins Gedächtnis, dass er ein olympischer Gott war, einer der ursprünglichen zwölf Unsterblichen, der mit einem einzigen Gedanken alles um sich herum dem Erdboden gleichmachen konnte.
Eines der glänzenden schwarzen Dinger quäkte und kam schliddernd zum Stehen, weil eine andere Monstrosität ihm den Weg abgeschnitten hatte. Fürsorglich platzierte Apollo sich zwischen Pamela und die Metallkreatur und legte schnell statt des linken seinen rechten Arm um sie.
»Ich weiß genau, was du denkst«, sagte Pamela leise.
Erschrocken sah Apollo zu ihr hinunter. Theoretisch war ihm klar, dass sie seine Gedanken nicht lesen konnte, aber die Vorstellung, dass sie wusste, was ihm durch den Kopf ging, war alarmierend.
»Du musst es mir nicht sagen«, fuhr sie mit verschmitzt funkelnden Augen fort. »Du hast gedacht, der Brunnen ist einfach gigantös.«
»Leider irrst du dich«, antwortete er und hoffte, dass man ihm seine Erleichterung nicht allzu deutlich anmerkte. »Ich dachte, er sei gigantös«, gab er im gleichen scherzhaften Ton zurück.
»Tja, das kommt nur daher, dass du den korrekten Gebrauch des Wortes noch nicht drauf hast. Gigantös ist nicht so positiv wie gigantös, deshalb ist gigantös das passende Wort für diesen …« Sie legte eine Kunstpause ein und ließ den Blick demonstrativ über den Platz vor dem Hotel-Casino wandern, »… diesen Brunnen.«
Elegant erkannte er seine Niederlage an. »Ich gebe dir absolut recht. Dieses Monstrum ist ohne jede Frage gigantös.«
»Dann habe ich mich also doch nicht geirrt«, stellte Pamela fest.
Wenn es um Frauen ging, war Apollo nicht auf den Kopf gefallen, egal in welcher Welt. Er lächelte. »Wie kann jemand, der so schön ist wie du, jemals unrecht haben?«
»Darf ich ein Taxi für Sie und die junge Lady rufen?«, fragte einer der Hotelpagen.
Apollos »Nein!« kam leidenschaftlicher heraus, als er es beabsichtigte – und auf einmal war er froh, dass die Nacht in dieser Welt von Lichtern und Geräuschen durchdrungen war und dass der Blitz, der als Reaktion auf seinen Ausruf über den Himmel zuckte, deshalb glücklicherweise unbemerkt blieb. Trotzdem brachte er seine Stimme besser unter Kontrolle und fuhr deutlich ruhiger fort: »Nein, danke. Die Lady und ich gehen zu Fuß.«
»Die Bellagio-Fontänen sind nicht weit von hier, richtig?«, fragte Pamela.
»Ja, Madam«, antwortete der Page und streckte die Hand aus. »Folgen Sie dem Gehweg bis zur Straße runter, biegen Sie dort nach rechts ab und überqueren die nächste Straße, dann sind Sie schon dort. Sie können den Brunnen nicht verfehlen.«
»Danke.« Pamela drückte Phoebus’ Arm. »Wollen wir?«
Aber Apollo war alles andere als bereit zum Losgehen. Lieber wäre er noch einmal allein in den dunklen Höhlen von Parnassus dem mächtigen Drachen Python gegenübergetreten, als in diese fremde Nacht zu wandern. Aber die zierliche Frau an seinem Arm schritt mit dem Selbstvertrauen eines Herkules voran. Also biss Apollo die Zähne zusammen und ging los, alle Sinne in Alarmbereitschaft.
»Es ist so schön warm hier, ganz anders als in Colorado. Dort hatten wir einen ungewöhnlich kalten Frühling – obwohl schon Mai ist, hat es letzte Woche noch einmal geschneit.« Pamela legte den Kopf in den Nacken und machte mit dem freien Arm eine ausladende Bewegung. Mit einem genießerischen Lachen atmete sie die Wärme des Wüstentages ein, die noch immer in der Luft hing. »Bevor ich hierhergekommen bin, war mir gar nicht klar, wie sehr ich mich nach dem Frühling sehne.«
Apollo gab einen vage zustimmenden Laut von sich.
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