Göttin des Lichts
Immer wieder wanderte sein Blick von der bezaubernden Frau an seiner Seite zu den Fahrzeugen, die auf der belebten Straße an ihnen vorbeisausten, oder zu den riesigen Leuchtschildern und den bunten, bewegten Bildern, die über vielen der hoch aufragenden Gebäude blitzten. Auf einmal kam ihm der Gedanke, dass Zeus den Nymphen sicherheitshalber befehlen sollte, die Grenzen von Caesars Palace nicht zu verlassen. Wenn die sich nach draußen wagten, würden sie bestimmt wie hübsche kleine Nachtfalter angesichts all der glitzernden, blitzenden Lichter vor Aufregung völlig in Konfusion geraten. Und er wollte sich lieber nicht vorstellen, was die übermütigen, von Licht und Klang trunkenen Halbgottheiten dann alles anrichten würden.
»Vorsicht!« Pamelas Stimme holte ihn mit einem Ruck in die moderne Welt zurück, und ihre Hand brachte ihn zum Stehen. »Puh, das war knapp. Ich war so mit Staunen beschäftigt, dass ich die Straße beinahe nicht gesehen hätte, und der Verkehr hier ist grässlich. Wir warten lieber, bis die Ampel grün wird.«
Sie standen an einer Straßenecke, wo es von Autos wimmelte, und Apollo wurde klar, dass er um ein Haar in den fließenden Verkehr gelaufen wäre, wenn Pamela ihn nicht zurückgehalten hätte. Natürlich konnten die Metalldinger ihm nicht wirklich etwas anhaben, aber er wollte Pamela lieber nicht erklären müssen, warum das so war. Im Königreich Las Vegas seinen Tagträumen nachzuhängen, war keine gute Idee.
»Da drüben ist bestimmt die Fontänen-Show«, sagte sie und deutete über die Straße auf die sich in einer Wasserfläche reflektierenden Lichter.
Mit zusammengekniffenen Augen spähte Apollo über den Strom der Autos und Menschen. »Ich sehe aber keine Fontänen.«
In diesem Moment wurde der rote Kreis vor ihnen von einem grünen abgelöst, und schon setzten sich die Leute um sie herum in Bewegung. Apollo zögerte, aber als Pamela zuversichtlich auf die Straße trat, ging er mit, hielt aber aufmerksam Ausschau, falls doch ein verirrtes Metallmonster ihren Weg kreuzen sollte.
»Ich glaube nicht, dass die Fontänen außerhalb der Show angeschaltet sind. Oh, ich wette, dass wir uns hier informieren können.« Sie führte ihn zu einer kleinen Säule mit einem Bildschirm und nickte beim Lesen. »Ja, alle Viertelstunde gibt es eine Fontänen-Show.« Mit einem Blick auf ihre Armbanduhr fügte sie hinzu: »Jetzt ist es elf Uhr fünfundzwanzig, also haben wir noch fünf Minuten.«
Apollo sammelte sich, blendete all die Ablenkungen um ihn herum aus und konzentrierte sich wieder ganz auf die reizende Frau, der er den Hof machen sollte. »Möchtest du noch ein Stück gehen oder dich lieber hinsetzen und warten, bis die Vorstellung beginnt?« Dabei deutete er auf die Marmorbänke, die den breiten Gehweg am Rand des kleinen Sees säumten.
»Ich würde gern noch ein Stück gehen«, antwortete Pamela, und sie schlenderten langsam am Brunnen entlang.
Nach einer kurzen Zeit einvernehmlichen Schweigens sagte Pamela: »Hier herrscht so eine seltsame Mischung aus Kitsch und Kultur, findest du nicht auch?«
Am liebsten hätte Apollo ihr gesagt, dass sie keine Ahnung hatte,
wie
seltsam Las Vegas tatsächlich für ihn war. Aber die Tatsache, dass auch Pamela die Umgebung offensichtlich zumindest ein bisschen ungewöhnlich fand, machte ihm Mut.
»Da stimme ich dir von ganzem Herzen zu«, sagte er.
»Ich meine, schau dir das mal an«, sagte sie und deutete auf die andere Straßenseite. »Gegenüber siehst du eine Touristenfalle neben der anderen, aber hier auf unserer Seite ist es überhaupt nicht so.« Sie blieb stehen und lehnte sich an die weiße Marmorbrüstung, die eine altitalienische Balustrade imitierte, sich um das ganze Wasserbecken zog und den Gehweg vom Teich trennte. »Auf dieser Seite möchte man uns den Eindruck vermitteln, dass wir über einen europäischen Boulevard flanieren. Das Licht kommt nicht von irgendwelchen grellen Neonwerbungen, sondern von hübschen altmodischen Straßenlaternen, mit netten kleinen Bäumen dazwischen. Und das hier …« Sie blickte über das Wasser zu den Geschäften und Restaurants hinüber – »… das hier erinnert mich an ein auf schick gemachtes toskanisches Dorf. Ich weiß, es ist alles nur ein Trick, aber die Illusion funktioniert, und als Designerin muss ich einer gelungenen Maskerade professionell applaudieren.«
Etwas in ihrem Ton brachte ihn dazu, sie anzuschauen. Zu seiner Überraschung sah sie traurig aus, und diese
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