Göttin des Lichts
Worten zu entnehmen. Er hatte es gesehen und Artemis ebenfalls. Um die Beschwörung zu erfüllen, musste er also mit ihr schlafen.
Und was dann? Wie ein Wintersturm wirbelte plötzlich ein Gedanke durch seinen Kopf. Vielleicht hatte die Beschwörung irgendeinen Zauber auf sie gewirkt, und das Verlangen, das er in ihren Augen zu entdecken glaubte, war nur das Resultat des mächtigen Zaubers, den die Nymphen heraufbeschworen hatten. Wenn das stimmte, dann würde dieser Zauber weichen, wenn er mit ihr geschlafen hatte. Dann würde sie ihn nicht mehr begehren. Sie würde ihn nicht mehr mit ihren intelligenten, ausdrucksvollen Augen anschauen, die die Farbe von Honig annahmen, wenn er ihre Leidenschaft weckte. Bei dem Gedanken fühlte er sich verloren, und er konnte es kaum aushalten. Abrupt stand er auf.
»Ich muss gehen«, sagte er. »Nein, bleib liegen«, rief er rasch, als sie Anstalten machte aufzustehen. »Du musst deinen Knöchel schonen. Leg ihn heute Nacht zum Schlafen hoch. Morgen wirst du nichts mehr spüren, es wird so sein, als wäre der Unfall nie passiert.«
Als er sich zum Gehen wandte, wurde ihr flau im Magen. Er hatte gesagt, er würde sie seiner Schwester als Zwischenfall erklären. Meinte er das ernst? Dass sie sich nach dieser Nacht nie wiedersehen würden?
»Und wird es morgen auch für dich so sein, als wäre dir dieser Zwischenfall nie passiert?«
Erst als er stehenblieb, merkte sie, dass sie ihren Gedanken laut ausgesprochen hatte. Er wandte sich um, und seine strahlenden blauen Augen blitzten. Er hob die Hand, die gerade noch ihren Knöchel liebkost hatte und streckte sie ihr entgegen.
»Morgen werde ich noch immer deine Haut an meiner fühlen. Morgen werde ich noch immer deine seidigen Lippen spüren. Morgen wird der Wind noch immer deinen Duft zu mir tragen. Wie sollte ich dich vergessen?«
»Dann werde ich dich wiedersehen?«, fragte sie atemlos.
»Selbst wenn ich es wollte, könnte ich mich nicht von dir fernhalten. Und ich will nichts weniger als das. Ich werde morgen Abend zur gleichen Zeit in unserem Lokal sein, zu der wir uns heute dort begegnet sind. Bis dann, meine liebe Pamela, ich werde an dich denken.«
Als er das Zimmer verließ, fühlte sich Pamela, als wäre die Sonne vom Himmel gefallen. Sie schaute zur Uhr und begann, die Stunden bis zu ihrem Wiedersehen zu zählen.
Artemis wartete in dem dunklen Korridor, der von einem schmucklosen Lieferanteneingang in Caesars Palace abzweigte. Sie stand neben einer Tür zu einer Geheimkammer, in welcher sich das Portal in die andere Welt befand. Seufzend verschränkte sie die Arme. Sie hatte Apollo gesagt, sie würde im Olymp auf ihn warten, aber als die Nacht voranschritt, war sie immer unruhiger geworden. Es war spät – beinahe Morgendämmerung –, und sie fühlte noch immer die Ketten, die sie an die sterbliche Frau fesselten. Warum brauchte ihr Bruder nur so lange, um sie zu verführen?
Ein großer Mann in nassen Kleidern kam um die Ecke und näherte sich ihr. Ohne viel nachzudenken, hob sie einen Finger, um ihn dazu zu zwingen, einen anderen Ausgang zu benutzen.
Aber zu ihrer Überraschung begann der Mann zu lachen.
»Deine Tricks funktionieren bei mir nicht, Schwester«, sagte Apollo.
Artemis’ Augen weiteten sich, als sie ihn erkannte. »Apollo? Beim Bart des Zeus! Was ist denn mit dir passiert?«
Apollo zuckte die Achseln und zupfte an seinem nassen Hemd herum. »Ein Unfall.«
»Ein Unfall! Aber was ist mit der Verführung?«
»Damit geht es gut voran.«
»Also wirklich!« Artemis’ Stimme überschlug sich vor Entrüstung. »Wie kann es mit ihr gut vorangehen, wenn ich immer noch das Band der Beschwörung spüre?«
»So etwas braucht Zeit, Artemis. Pamela ist keine Stadt, die erobert werden soll, und auch keine Festung, die es anzugreifen und zu plündern gilt. Sie ist eine sterbliche Frau, die sich wünscht, geliebt zu werden.«
»Das verstehe ich sehr gut. Was ich nicht verstehe, ist, warum du noch nicht mit ihr im Bett warst.«
»Weil es nicht das ist, was sie sich wirklich wünscht«, erwiderte Apollo.
Artemis’ Augen wurden schmal, als sie den seltsamen, nachdenklichen Ton seiner Stimme hörte. »Mit dem Gott des Lichts ins Bett zu gehen ist nicht das, was sie sich wirklich wünscht? Es fällt mir schwer, das zu glauben, Bruder.«
Apollo seufzte. »Was würdest du sagen, wenn ich dir erkläre, dass
ich
mir nicht wünsche, heute Nacht mit ihr ins Bett zu gehen?«
Das fand sie leichter zu
Weitere Kostenlose Bücher