Göttin des Lichts
immer wieder zu der miserablen Kopie seiner selbst wanderte.
»Hundertprozentig. Genau genommen habe ich heute Nachmittag versucht, mir einen geschmackvollen Kompromiss einfallen zu lassen, aber mein Kunde besteht darauf, dass die Bacchus-Statue im Zentrum bleibt.« Sie schauderte. »Ich muss mir irgendetwas einfallen lassen, wie ich ihm das ausrede. Immerhin hab ich es schon geschafft, die anderen grässlichen Statuen loszuwerden.«
Fragend sah Apollo sie an.
»Du meinst, die Statuen von Cäsar und Artemis und …« Sein eigener Name blieb ihm im Hals stecken.
»Und Apollo«, half Pamela sofort aus. »Der mit dem großen Kopf und der Harfe soll den Sonnengott darstellen.«
Apollo strengte sich an, ein neutrales Gesicht zu machen. »Eigentlich bezeichnet man Apollo korrekter als den Gott des Lichts, und das Instrument, das er in der Hand hält, ist eine Leier, keine Harfe.«
»Hmm«, machte Pamela und studierte die Statue. »Ich wusste gar nicht, dass da ein Unterschied besteht. Aber richtig, du bist ja Musiker, nicht wahr? Ich weiß bloß, dass das Instrument neongrün zu leuchten beginnt, wenn die Figur lebendig wird.«
»Stimmt.« Er bemühte sich, nicht zusammenzuzucken. »Das hab ich auch gehört.«
Die Augen noch auf die Statue gerichtet, fuhr Pamela fort: »Ich wusste nicht, dass Apollo auch Gott des Lichts genannt wird. Ich dachte, er wäre einfach der Sonnengott.«
»Für die Römer war er der Sonnengott, aber bei den Griechen war er immer der Gott des Lichts, der Heilkunst, der Musik, der Poesie und der Wahrheit.«
»Der Gott der Wahrheit?«
»Ja, die Wahrheit war sehr wichtig für Apollo. Er war einer der wenigen Olympier, die Heuchelei und Verstellung verabscheuten.«
»Davon hatte ich keine Ahnung. Ich dachte immer, die Götter wären vor allem impulsiv und egozentrisch. Ich glaube, ich erinnere mich hauptsächlich an einen meiner Englischlehrer, der die Götter beschrieben hat, als wären sie Playboys oder Frauenhelden.«
Apollo räusperte sich und rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. »Die Götter sind … waren sicher leidenschaftlich, und Leidenschaft kann manchmal zu impulsiven, eigennützigen Handlungen führen. Außerdem musst du bedenken, dass es in der Alten Welt als Privileg galt, von einem Gott geliebt zu werden, vor allem vom Gott des Lichts.«
»Oh, dann meinst du also, nur weil Apollo etwas für die Wahrheit übrig hatte, heißt das noch lange nicht, dass er treu sein konnte.«
Apollo runzelte die Stirn und wusste nicht, was er sagen sollte. Er wollte sich verteidigen, konnte es aber nicht. Denn Pamela hatte ja recht. Er war ehrlich, aber nie treu gewesen. Und er hatte bisher auch nie den Wunsch verspürt, treu zu sein.
»Dann gehört Mythologie also auch zu deinen Hobbys?«
»Ich denke, es ist schon eher eine Leidenschaft als ein Hobby«, erwiderte Apollo mit einem kleinen Lächeln. »Und ich weiß mit Bestimmtheit, dass die Leier des Lichtgottes nicht grünlich geschimmert hat, wenn er auf ihr spielte, und dass sein Kopf nicht so groß war.«
Pamela grinste. »Freut mich zu hören. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein Frauenheld so ausgesehen haben soll.«
»Wusstest du, dass es einige alte Texte gibt, die behaupten, Apollo hätte die Liebe gefunden?« Er sprach schnell, ehe seine Vernunft ihm den Mund verbieten konnte. »Und danach war er seiner Geliebten hundertprozentig treu.«
»Nein, davon hatte ich auch keine Ahnung. Wer war sie denn? Bestimmt irgendeine hinreißende Göttin, oder nicht?«
»Nein, er hat seine Seelenverwandte in einer Sterblichen gefunden.«
»In einer Sterblichen? Na so was. Vermutlich nennt man es deshalb Mythologie. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine menschliche Frau dumm genug wäre, das Risiko einzugehen, einen Gott zu lieben.«
Apollo spürte, wie ihm eng ums Herz wurde. »Aber schau doch, was sie davon hatte – sie ist das Risiko eingegangen und hat ihren Seelenverwandten gefunden.«
»Du bist echt ein Romantiker«, meinte Pamela mit einem bedächtigen Lächeln.
»Ja«, antwortete er heftiger als beabsichtigt und musste tief Luft holen, um seine aufwallenden Gefühle in den Griff zu bekommen. »So war ich aber nicht immer. Genau genommen war ich Apollo ziemlich ähnlich – damit zufrieden, dort die Liebe zu finden, wo es bequem oder amüsant war und nicht weiter darüber nachzudenken. Aber ich habe das Gefühl, ich bin dabei, mich zu ändern.« Er zuckte die Achseln und fuhr in leichterem Ton fort:
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