Göttin des Lichts
Schwester auf einmal. »Wenn das Portal geschlossen ist …« Sie verstummte.
»Wenn das Portal geschlossen ist, haben wir keinen Zugriff mehr auf unsere Kräfte«, vollendete Apollo den Satz für sie.
Artemis schlug sich die Hand vor den Mund.
»Okay. Das war’s. Ich gehe.« Pamela riss die Tür auf und marschierte aus der Kammer. Ihre Beine fühlten sich an wie aus Gummi.
»Schau, was du angerichtet hast«, knurrte Apollo seine Schwester an, dann eilte er Pamela nach.
»Ich?« Artemis schnaubte empört. Widerwillig folgte sie ihrem Bruder. Sie wollte nicht hierbleiben. Sie wollte, dass das Portal sich sofort wieder öffnete. Sie wollte auf den Olymp zurück und ein ausgedehntes Bad in ihrer Mineralquelle nehmen. Sie wollte ihre unsterblichen Kräfte wiederhaben und … Seufzend trat sie auf den Korridor hinaus.
Ein paar Meter weiter hatte Apollo Pamela am Ellbogen gepackt und sprach beschwichtigend auf sie ein, während sie versuchte, ihm ihren Arm zu entreißen. Kopfschüttelnd betrachtete Artemis die Szene. Wie tief waren die Mächtigen gefallen. Langsam ging sie auf die beiden zu.
»Sei still, Sterbliche«, sagte sie ärgerlich. »Es ist alles ganz einfach.« Dann deutete sie auf ihren Bruder. »Sein wahrer Name ist Phoebus Apollo, Gott des Lichts, der Musik und der Heilkunst. Mein Name ist zwar Diana, aber den benutzen nur die alten Römer. Sonst werde ich immer Artemis genannt, Göttin der Jagd. Außerdem habe ich eine Affinität zum Mond, wie mein Bruder zur Sonne, aber ich möchte dich nicht mit Informationen überschwemmen, sonst verwirre ich dich bestimmt«, schloss sie sarkastisch.
»Ihr seid Götter?« Pamela hoffte inständig, dass sie träumte und bald aufwachen würde.
»Ja. Unsterbliche. Das waren wir zumindest, bis das Portal uns in dieser verdammten Welt eingeschlossen hat. Jetzt habe ich den Verdacht, dass wir einfach nur extrem attraktive Sterbliche sind«, sagte sie trocken.
»Apollo und Artemis.« Pamela sah zwischen den beiden hin und her.
»Ich hab dir doch gesagt, es ist ganz einfach.«
»Ihr seid verrückt!«, antwortete sie.
»Ich wollte nicht, dass du es auf diese Weise erfährst«, beteuerte Apollo. »Aber Artemis sagt die Wahrheit.« Stirnrunzelnd sah er seine Schwester an. »Wenn auch nicht sehr gut .«
»Was?«, rief Artemis empört. »Wenn du leise Musik und Blumenduft zur Untermalung bevorzugst, tut es mir leid, damit kann ich nicht dienen – jedenfalls nicht, bevor das Portal wieder aufgeht.«
»Solche Bemerkungen sind nicht hilfreich«, wies Apollo sie zurecht.
»Aber es gibt keine Götter. Das ist nur Mythologie«, sagte Pamela.
»Ich dachte, du hast gesagt, sie wäre klug«, meinte Artemis höhnisch zu Apollo.
Pamela musterte die schöne junge Frau, die ihrem Geliebten so sehr ähnelte, und sie spürte wieder etwas von dem benommenen Entsetzen, das sie bei ihrer Verwandlung ergriffen hatte. Doch allmählich wurde sie wütend.
»Du brauchst nicht so unhöflich zu werden«, sagte sie zu Artemis.
»Unhöflich?« Artemis kniff die Augen zusammen. »Du nennst mich unhöflich, während du vor mir stehst und meine Existenz abstreitest? Dabei befindest du dich mitten in einem Gebäude, das nur deshalb entstanden ist, weil die Menschen der Antike mich und die anderen elf Olympier so sehr verehrt haben, dass man sich Jahrtausende an mich erinnert hat. Klingt das sonderlich intelligent für dich?«
»Es klingt weder klug noch dumm. Es klingt schlicht unglaublich. Diese ganze Situation ist unglaublich. Sie kann überhaupt nicht wahr sein.«
Apollo nahm ihren anderen Ellbogen und drehte sie zu sich um, wobei er sich Mühe gab, nicht darauf zu achten, dass sie immer noch von ihm wegstrebte. Mit leiser, ruhiger Stimme sagte er: »Du kennst die Wahrheit, Pamela. Du hast sie erfahren. Jetzt musst du sie nur noch akzeptieren.«
Sie sah ihn an – sah ihn wirklich an. Er war der gleiche große, schöne Mann wie in der vorhergehenden Nacht. Und doch auch wieder nicht. Irgendetwas … irgendetwas fehlte. Noch immer war er ungewöhnlich attraktiv, aber das spektakuläre Blau seiner Augen war verblasst zu einer eher … sie schluckte … eher menschlichen Schattierung. Nur so konnte sie es beschreiben. Er sah genauso aus wie vorher und doch wieder nicht. Seine äußeren Merkmale hatten sich nicht geändert, seine Schultern waren nicht weniger breit, seine Brust nicht weniger muskulös – was leicht zu erkennen war, da er kein Hemd trug. Dennoch war er anders …
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