Goettinnensturz
sich über die nackten Arme. Ihr ist kühl, obwohl sich ihre Haut immer noch heiß anfühlt. Ob Mara ahnt, das Jonas und sie gerade eben miteinander geschlafen haben? Berenike schiebt das Bild weg, dieses Bild von sich und ihm, ihre einander so nahen Körper, seine Wärme. Mit aller Macht schiebt sie es weg. Alles in ihr sträubt sich dagegen, doch es muss sein.
Danach ist ihr letztes bisschen Kraft versiegt und sie sinkt auf einen der Sessel Mara gegenüber. Er ist weich und bequem, man könnte sich erholen darin. Erholen von allem, was vorgefallen ist. In all den Jahren. Wenn man Geld hätte. Und hier Urlaub machte. Viel Geld. Der Seesturm ist nicht billig. Berenike starrt auf die Tischplatte, hinter der Mara sitzt. Die Polizistin wirkt lässig, hat ein Bein über das andere geschlagen. Sie trägt enge helle Jeans. Es ist, als würde Mara überhaupt nicht altern, keine Falten bekommen, nicht zunehmen. Da ist sie wieder, Berenikes alte Eifersucht. Als würde Jonas mit einer Kollegin was anfangen.
Aber was weiß sie eigentlich wirklich von ihm! Berenike zwingt sich, nur auf das zu achten, was rundum sie ist. Ganz im Hier und Jetzt sein, ist denn das so schwer? Verdammt! Die Tischplatte vor ihren Augen. Ihr Blick bleibt an einem Kratzer im Holz hängen, so schnell tauscht man ein Möbelstück auch hier nicht aus. Sie hat Lust, mit dem Finger über die Rille zu streichen, lässt es sein. Der Kratzer erinnert Berenike an ihre Schulzeit. Und justament an Armin, ihre erste Liebe. Sie blieb unerwidert, leider oder zum Glück, wer könnte das heute sagen. Seinen Namen hat sie ins Holz der Schulbank geritzt, unter Gekicher ihrer Banknachbarin Alexandra. Und dann Gregor, der coolste Knabe des Viertels. Fußballer, Schulabbrecher, von daheim weggelaufen – vor der Alkoholikerfamilie im Gemeindebau, vor dem prügelnden Vater. In der bürgerlichen Josefstadt wirkte seine Wildheit bedrohlich auf manches alte Mütterlein, das die herrschende Ordnung in Gefahr glaubte. Aufregende Zeiten … Was wohl aus ihm geworden war? Alternativer Politiker?
Und nach Gregor viele andere, viele, viele, und schließlich: Jonas. Jonas …
Sie muss an etwas anderes denken, schnell. Statt an die Berührung seiner Haut, seiner warmen braunen Haut. Schluss damit!
»Was möchtest du, Mara?« Berenike hört, wie ihre Stimme zittert. Reiß dich zusammen, sofort! Sie zwingt sich, ihre Hände in den Schoß zu legen und die Kriminalpolizistin gerade anzublicken. Maras runde blaue Augen wandern über sie hinweg, sie ist schön, Mara, zu schön für ihren Beruf …
»Berenike, mir ist da etwas zu Ohren gekommen, das ich mit dir besprechen möchte. Tut mir leid für die Unannehmlichkeiten.« Mara benimmt sich schon so förmlich wie Jonas. Und wieder denkt Berenike an ihn!
»Danke, dass du nicht mit Blaulicht vor dem Salon aufgekreuzt bist.«
»Na ja«, seufzt Mara, »Jonas hatte diese Idee.«
»Es hätte im Ort viel Gesprächsstoff gegeben.«
»Das glaube ich.« Mara lächelt kurz, wird ernst, schaut zum Fenster raus, das direkt zum See geht. Sie sucht offenbar nach Worten. »Also, Berenike …«
Sie weiß es. Schlagartig wird Berenike das klar. Sie weiß alles. Wie konnte sie annehmen, eine Kriminalpolizistin wie Mara würde nichts von der Sache mit Monika erfahren?
»Ja?« Berenike bemüht sich um ein Pokerface.
»Jemand hat dich beobachtet. Außerdem ist Jonas als Ermittler befangen. Deshalb möcht lieber ich mit dir reden.«
»Ach.« Berenike braucht eine Dusche. Jetzt, sofort. Wenn sie Jonas nicht von sich abwaschen kann, wird der Wahnsinn nie aufhören. Diese ganze Sentimentalität. »Beobachtet«, keucht sie, »wobei?« Ruhiger atmen!
»Du hättest dich nicht hinreißen lassen dürfen, hm?« Mara sieht sie aus ihren Kulleraugen heraus an. Warmherzig, aber sachlich.
»Was … Wovon sprichst du?« Berenike schluckt. »Also, Mara«, sie versucht, ihre Stimme selbstbewusst klingen zu lassen. »Worum geht es?« Das konnte sie früher, die Businessfrau herauskehren, Nägel mit Köpfen machen, zur Sache kommen. Kühl, neutral. Na ja, nicht ganz. Nicht immer.
»Ich habe eine Aussage vorliegen, derzufolge du auf eines unserer Mordopfer losgegangen bist.« Mara zieht die Brauen hoch, was ihr nicht besonders gut steht. »Monika, um genau zu sein. Was hast du dazu zu sagen?«
Berenike starrt ihre Schuhe an. Sie hätte andere anziehen sollen. Der Dreck darauf, noch von der Wanderung zum Falkenstein, macht keinen guten Eindruck. Dass die Naht
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