Goettinnensturz
am rechten Fuß eingerissen ist, genauso wenig. Sie hätte auf ein seriöses Äußeres achten müssen. Das hier ist schließlich offiziell. Nun gut. Sie muss sich was einfallen lassen, damit Mara ihr glaubt – ihr abnimmt, dass alles ein Missverständnis war, dass es Gegenwehr war, Provokation und Gegenwehr, genau.
»Sie hat angefangen«, sagt Berenike und hört selbst, wie kindisch das klingt. Draußen vor dem Fenster trägt ein weiß gekleideter Kellner ein Tablett mit Kuchen vorbei.
»Unsere Zeugin sagt, du wärst auf Monika losgegangen.«
»Wer …?«
»Tut nichts zur Sache. Was ist passiert?«
»Ich habe niemanden angegriffen. Nur … Ein kleiner Unfall. Weil viel los war. Angerempelt hab ich sie und dann muss sie gestürzt sein.« Notlüge. Hm.
»Und davon hat sie sich das Nasenbein gebrochen?«, fragt Mara zweifelnd.
Berenike hebt die Schultern. »Davon weiß ich nichts. Ich meine, sie hat mich aus dem Weg geschoben, auf dieser Demo und …«
»Was für eine Demo war das?«
»Gegen Nazis als Gäste auf dem Narzissenfest.«
»Und?«
»Ich hab es satt, in dieser Art angegangen zu werden! Sie schiebt mich aus dem Weg, spuckt vor mir aus, da hab ich …«
»Was hast du?« Maras Blick ist gebannt, blaue Kulleraugen hin oder her.
»Ihr eine gflackt halt.«
»Und wie hat Monika darauf reagiert?«
»Na ja, ähm, ich … Sie wollte mich anzeigen.«
»Und dann?«
»Dann hat jemand sie Richtung Festzelt geschoben, und ich dachte die Sache ist ausgestanden. Ich hab mich entschuldigt, Mara! Es ist mit mir durchgegangen! Deshalb bring ich sie nicht um. Ich bitte, dich, du kennst mich. Es ist mir sowieso peinlich. Bist du denn für die ganzen Nazis oder was?«
»Natürlich nicht. Es geht nicht um meine Privatmeinung. Ich hab hier einen Job zu erledigen.«
»Und nun?«
»Du darfst heimgehen. Nur bitte bleib in der Gegend, sei so nett, hm?«
»Ah, aha, ah, danke«, stammelt Berenike, sie muss sich die Nase putzen, kramt nach einem Taschentuch, schnüffelt hinein. Hätte sowieso nicht vorgehabt, eine Reise zu tun. »Dann, äh, ja, Servus Mara.«
»Servus.«
Jetzt kann sie endlich ihre Dusche nehmen … heimfahren und eine Dusche nehmen. Jawoll.
*
Wie im Nebel fuhr Berenike nach Hause. Draußen tatsächlich Nebel, in ihrem Kopf genauso.
Mara hatte alles gewusst, Jonas ebenfalls. Ob er sie deshalb mied? Der Herr Ach-so-korrekt?
Berenike wischte sich über die Augen und nahm eine weitere Kurve. Wie konnte er so leidenschaftlich zu ihr sein mit solchem Wissen im Hinterkopf? Sie fühlte sich ausgenutzt, verletzt … Auch wenn sie sich an ihn rangeworfen hatte. Weil sie es gewollt hatte. Und er auch.
Endlich zu Hause. Nebel waberte um das Haus, durch den Garten, alles war verschwommen. Als ob die ganze Wirklichkeit ein böser Traum wäre. Berenike erledigte nur das Nötigste in der Wohnung, fiel früh ins Bett. Alle drei Katzen legten sich sanft zu ihr. Ungewöhnlich sanft …
Am nächsten Morgen schon wieder keine Lust auf Frühstück. Also fuhr sie gleich hinunter nach Altaussee, diesmal tatsächlich mit dem Motorrad. Strahlend schien die Sonne. Als sie sich ihrem Salon näherte, bemerkte sie schon von Weitem eine ganz in schwarz gekleidete Gestalt, die offenbar auf sie wartete. Einen schrägen Moment lang hoffte Berenike, es sei Jonas. Dann erkannte sie Reinhard. Sie parkte, schob den Helm hoch. »Servus!«
»Grüß dich, Berenike.«
»Wartest du schon lang, Reinhard?«
»Kein Problem.« Er machte eine wegwerfende Geste. »Ich hab mich bei deinen Öffnungszeiten geirrt und wollte frühstücken.« Er rieb sich die Hände. Beim Eingang stand sein Motorrad.
»Das tut mir leid. Komm rein in die gute Stube.« Berenike schloss auf, ließ ihn eintreten. »Gleich wird dir wärmer.«
»Das hoffe ich«, lachte er sie an, fast wie Jonas. Fast. Er trat ein, Berenike folgte ihm. Drehte das Licht an, die Tür fiel hinter ihnen zu.
Nichts ist so leer wie ein leeres Lokal, dachte sie und ging an ihm vorbei, prüfte die Heizung. Alles okay. »Setz dich, such dir was aus in der Karte, ich komm gleich.«
Nun in eine bunte Tunika aus Afrika gekleidet, trat Berenike zurück an die Theke. »Und, was führt dich zu mir?«
»Ich habe frei und beschlossen, einen Ausflug zu machen.« Er verzog grinsend einen Mundwinkel. »Leichenfledderer brauchen mitunter kleine Pausen. Das schöne Wetter war zu verlockend!«
»Ja, nicht? Es tut gut, wenn es wärmer ist.«
Nachdem Reinhard bestellt und das Gewünschte
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