Goettinnensturz
Niemand scheint ihn gesehen zu haben.«
»Franziska hat behauptet, sie und er seien ein Paar.«
»Ach.«
»Ja. Dann hat sie ein angebliches Geständnis über die Morde abgelegt, woraufhin ich Jonas angerufen hab.« Berenike stockte. Ellen wusste noch nichts von den neuen Entwicklungen. »Alles soll nur ein Scherz gewesen sein. Er ist mit Franziska gegangen. Und seither … erreich ich ihn nicht.«
»Ich dachte, ihr beiden seid sowieso …«
»… auseinander? Hier spricht sich wirklich alles herum.«
»Das ist unser idyllisches Landleben, Berenike.«
»Danke für den Hinweis. Dabei weiß ich gar nicht, wie es um uns steht, Ellen. Um ihn und mich. Aber deswegen ruf ich nicht an.«
»Sondern?«
»Ellen, irgendwie mach ich mir Sorgen … Du kennst Kurt ein wenig, oder?«
»Schon … warum?«
»Ist er an Tarot interessiert?«
»Tarot? Wie kommst du jetzt darauf?«
Berenike fasste zusammen, was sie und Helena über die gefundenen Karten und ihre Bedeutung auf der Landkarte mutmaßten.
»Gute Frage«, meinte Ellen, »Monika könnte Kurt damit angesteckt haben. Er war immer so für schwarze Magie.«
»Ich trau der Sache nicht. Was, wenn Kurt der Mörder ist und Franziska ihn schützt? Wenn sie Jonas eine Falle gestellt hat?«
Ein Seufzen drang durch die Leitung. »Er ist dir also doch noch wichtig.«
Berenike ging über die Bemerkung hinweg. »Lass uns zu Kurts Reisebüro fahren und nachsehen, ob er zurück ist. Wir können tun, als ob wir uns für eine seiner Fahrten interessieren. Ich als Zuagraste könnte mir tatsächlich mal dieses Sound-of-Music-Zeug angucken, meinst du nicht?«
Ellen prustete los. »Blödsinn.«
»Ich hole dich ab, Ellen, okay?«
»Na schön.«
Kurts Reisebüro lag mitten in Sankt Wolfgang, dem von Touristen am meisten besuchten Ort rund um den Wolfgangsee. Endlich war schönes Wetter und das berühmte Weisse Rössl leuchtete im Sonnenschein, als wäre es nie anders gewesen. Sie parkten den Wagen und gingen durch die engen Gassen zu Fuß weiter. Menschen drängelten sich vor den Souvenirgeschäften und an Aussichtsplattformen, fotografierten den See, stiegen Berenike auf die Zehen und sahen dann noch böse drein …
Kurts Reisebüro lag in einer Seitengasse, in der es erstaunlich still war. In den Auslagen wurde mit teils handschriftlich beschriebenen, bunten Zetteln für Busfahrten nach Nah oder Fern geworben. Sound of Music, Salzburg oder gleich Großglockner mit Heiligenblut – alles zu haben. Es gab sogar Fahrten nach Deutschland. Berenike stieß die Tür auf, ein Glöckchen bimmelte leise, als sie beide eintraten. Nur eine einzelne verhärmte Angestellte tippselte etwas hinter einem Computerbildschirm, Kunden waren keine im Raum. An der Wand hing etwas, das wie ein Buschmesser aussah, daneben eine Maske, deren dunkle Augenhöhlen sie zu verfolgen schienen.
»Grüß Gott, ist der Kurt vielleicht da?«, fragte Ellen in förmlichem Tonfall.
»Der Chef«, murmelte die Angestellte abwesend und starrte den Bildschirm an. »Moment.« Sie klickte ein paarmal, runzelte die Stirn, hackte etwas in die Tasten und sah endlich auf. »Entschuldigung, ich musste diese Buchung fertigstellen, sonst ist alles weg. Dieses Internet! Also, Sie wollen zum Chef. Ja, der sollt auf Fahrt nach München sein. Für drei Tage. Wieso fragen Sie?«
Ellen machte den Mund auf und wollte was sagen, Berenike kam ihr zuvor. »Was Privates. Ich hab ihn leider telefonisch nicht erreichen können. Und da wir zufällig in der Gegend sind, dachte ich mir …«
»Ach so. Beim Fahren hat der Chef das Handy immer aus, wegen der Sicherheit«, brummelte die Angestellte und sah ihren Bildschirm an. »Das ist ihm sehr wichtig.«
»Verstehe. Wann ist er denn wegfahren, haben Sie das gesehen?« Wenn die Angestellte nur nicht misstrauisch wurde! Sie war jedoch viel zu abgelenkt von den Vorgängen auf ihrem Computerbildschirm.
»Er kam mit dieser Franziska hierher.«
Scharfer Seitenblick Ellens zu Berenike, sie schwieg.
»Ich hab mich noch gewundert, ob sie für ihn arbeiten will. Wir brauchen immer mal Guides, besonders im Sommer. Der Kurt hat hier nur den Schlüssel für den Bus geholt, dann sind die beiden weg.«
»Verstehe. Haben Sie seither von ihm gehört?«
»Nein. Ich probier es selbst mal unter seiner Nummer, warten’S kurz.« Die Angestellte ließ ihre langen, spitz gefeilten Fingernägel auf das Telefon trommeln, wartete. Stirnrunzeln. »Kurt? Ah, Georg, grüß dich. Du, wo ist denn der
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