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Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt

Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt

Titel: Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Angelini
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urkomisch.
    Hergie stellte ihnen Freistundenpässe aus. So konnten sie sich Zeit lassen, bis die nächste Stunde anfing. Einen solchen Pass von Mr Hergesheimer zu bekommen, war ungefähr dasselbe wie eine von Willy Wonkas goldenen Eintrittskarten – mit ihm konnte ein Schüler eine volle Stunde lang überall hingehen und alles tun, ohne dass ein Lehrer deswegen einen Aufstand machte.
    In der Cafeteria holten sie Orangen für Helens niedrigen Blutzuckerspiegel, und weil sie schon mal da waren, teilten sie sich auch gleich noch einen Schokoladenmuffin. Helen verschlang alles und wie durch ein Wunder fühlte sie sich danach viel besser.Dann gingen sie in die Aula und stellten sich vor den zwei Meter großen Ventilator, um sich abzukühlen. Sie wechselten sich damit ab, in die rotierenden Flügel zu singen und zuzuhören, wie ihre Stimmen verzerrt wurden, bis sie sich vor Lachen nicht mehr halten konnten.
    Nach der Schwänzerei mit Hergies Freistundenpass und dem vielen Zucker auf leeren Magen war Helen so aufgedreht, dass sie keine Ahnung mehr hatte, in welchen Raum sie als Nächstes mussten. Sie und Claire schlenderten gemächlich zur falschen Zeit durch den falschen Flur, als die Glocke das Ende der ersten Stunde läutete. Sie sahen einander an und zuckten mit den Schultern, als wollten sie sagen: »Tja, was kann man da tun?«, und prusteten wieder los. Dann sah Helen Lucas zum ersten Mal.
    Draußen atmete der Himmel endlich den ganzen Wind aus, den er die letzten beiden Tage festgehalten hatte. Böen abgestandener, heißer Luft fegten durch die offenen Fenster in die brütend heiße Schule. Sie ergriffen lose Blätter, herumliegende Papierfetzen und anderen Kleinkram und wirbelten alles in Richtung Decke, wie Doktorhüte bei der Abschlussfeier. Einen Moment lang kam es Helen so vor, als würde alles dort oben bleiben, eingefroren auf dem höchsten Punkt, so schwerelos wie im Weltraum.
    Lucas stand etwa zehn Meter entfernt an seinem Schließfach und starrte Helen an, während die Welt darauf wartete, dass sich die Schwerkraft wieder einschaltete. Er war groß, mindestens eins achtzig, und kräftig gebaut. Er hatte kurze schwarze Haare und seine Spätsommerbräune hob das weiße Lächeln und die Swimmingpool-blauen Augen hervor.
    Seinem Blick zu begegnen, war wie ein Erwachen. Zum ersten Mal in ihrem Leben wusste Helen, was reiner, das Herz vergiftender Hass war.
    Sie nahm nicht wahr, dass sie auf ihn zustürzte, aber sie hörte, wie die Stimmen der drei schluchzenden Schwestern zu einem klagenden Heulen anschwollen. Sie sah sie hinter dem großen dunkelhaarigen Jungen stehen, von dem sie wusste, dass es Lucas war, und dem kleineren braunhaarigen Jungen neben ihm. Die Schwestern rissen an ihren Haaren, bis sie sich in blutigen Fetzen lösten. Sie zeigten anklagend auf die beiden Jungen und kreischten die Namen von Leuten, die vor langer Zeit ermordet worden waren. Da wusste Helen plötzlich, was sie zu tun hatte.
    In dem Sekundenbruchteil, den sie brauchte, um die Distanz zu ihm zu überwinden, sah Helen, wie sich der kleinere Junge mit den braunen Haaren auf sie stürzen wollte. Aber Lucas hielt ihn auf, indem er nur einen Arm ausstreckte, was den Jungen gegen die Schließfächer knallen ließ. Helen machte sich ganz steif und spannte jeden Muskel an.
    »Cassandra! Bleib, wo du bist«, rief Lucas über Helens Schulter. Sein Gesicht war nur noch Zentimeter von ihrem entfernt. »Sie ist sehr stark.«
    Helens Arme brannten, und die Knochen in ihren Handgelenken fühlten sich an, als würden sie jeden Moment brechen. Lucas umklammerte ihre Handgelenke, um ihre Hände von seinem Hals fernzuhalten. Wenn sie mit den Fingern nur einen Zentimeter dichter herankam, konnte sie seine Kehle erreichen.
    Und was dann? , fragte eine Stimme in ihrem Kopf. Bring ihn um! , antwortete eine andere.
    Lucas’ unglaublich blaue Augen wurden vor Überraschung ganz groß. Es sah so aus, als würde Helen gewinnen. Einer ihrer langen Fingernägel kratzte schon an der pulsierenden Haut über der hervortretenden Arterie, die sie unbedingt aufreißen wollte. Doch bevor sie wusste, wie ihr geschah, wirbelte Lucas sie herum, presste sie gegen seine Brust, hielt ihre Arme eng an ihren Körper gedrückt und stellte ein Bein zwischen ihre Beine. Die Haltung, die er ihr aufgezwungen hatte, brachte sie aus dem Gleichgewicht, und sie konnte ihm nicht einmal auf den Fuß treten. Sie konnte sich nicht mehr rühren.
    »Wer bist du? Von welchem Haus?«,

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