Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt
hätte ich es dir erzählt, wenn ich seit dem Desaster mit Matt in diesem Schrank in der Siebten einen anderen Jungen geküsst hätte. Und drittens und am wichtigsten: Ich war mit Lindsey niemals so gut befreundet wie mitdir. Du bist meine beste Freundin, Gig.« Helen drückte sie, bis Claire nachgab und anfing zu lächeln. »Ich weiß, dass ich mich in letzter Zeit komisch verhalten habe, und es tut mir leid. Es passieren gerade ein paar verrückte Dinge mit mir. Ich würde dir gern alles erzählen, aber es geht nicht, weil ich es selbst noch nicht kapiere. Also bleib bitte auf meiner Seite, auch wenn ich die ganze Zeit gereizt und missgelaunt bin.«
»Du weißt, dass ich immer auf deiner Seite sein werde, aber soll ich ehrlich sein?« Claire blieb wieder stehen und sah Helen an. »Ich weiß, dass ich jetzt eigentlich sagen müsste, dass alles kein Problem ist, dass alles wieder gut wird und all dieses zuversichtliche Zeug, aber ich kann es nicht. Ich glaube nicht, dass es von selbst wieder besser wird, und ich mache mir große Sorgen um dich.«
Nach dem Lauftraining fuhr Helen in den Laden. Sie hatte Luis angeboten, den Abend zu übernehmen, damit er sich vor seinem Marathon-Wochenende, während Kate und Jerry in Boston waren, noch einmal ausschlafen konnte.
Die Kunden sahen sie immer noch komisch an, weil sich die Nachricht von ihrem Ausraster mittlerweile über die ganze Insel verbreitet hatte, aber da sie alle Hände voll zu tun hatte, blieb ihr zum Glück keine Zeit, sich darüber aufzuregen. Als sie endlich mit Saubermachen fertig war und alles für den nächsten Tag vorbereitet hatte, war es bereits nach Mitternacht.
Beim Abschließen des Ladens und auf dem Weg zum Auto war sie sehr vorsichtig und horchte auf mögliche Angreifer. Doch ihre Vorsicht war unnötig gewesen und sie fuhr nach Hause. Als sie ausstieg und ins Haus gehen wollte, passierte es.
Plötzlich war es ganz dunkel um sie herum. Die Delos-Jungen hatten wenigstens gewartet, bis Jerry aus der Gefahrenzone war, bevor sie gekommen waren, um sie umzubringen. Ein sehniger Arm schlang sich um ihren Hals und zerrte sie nach unten, sodass sie auf die Knie fiel. Sie bekam keine Luft und hatte keine Möglichkeit, den Angreifer hinter ihr zu sehen. Sie fragte sich, wer wohl diesen »Sie gehört mir«-Streit gewonnen hatte, Lucas oder Hector. Durch den Sauerstoffmangel tauchten schon weiße und blaue Punkte vor ihren Augen auf. Dann stellte sie sich vor, wie ihr Dad nach Hause kam und sie tot in der Einfahrt vorfand. Da wusste sie, dass sie kämpfen musste, auch wenn ihre Chancen gleich null standen. Sie konnte nicht zulassen, dass er noch einen geliebten Menschen verlor. Darüber würde er nie hinwegkommen.
Helen beugte den Arm und rammte ihrem Angreifer mit aller Kraft den Ellbogen in den Magen. Sie hörte, wie er nach Luft schnappte und sie losließ. Ihre Handflächen schrammten über den Boden, als sie nach vorne stürzte. Sie holte zweimal tief Luft, bevor sie aufschaute, und war verblüfft, dass sich keiner der anderen auf sie gestürzt hatte.
Lucas starrte auf sie herab. Er hielt den rechten Arm ausgestreckt und hatte die Hand in Hectors Shirt verkrallt. Merkwürdigerweise sah Hector über seine Schulter – weg von Helen. Sie hatte kaum Zeit, sich darüber zu wundern, als Lucas etwas zu ihr sagte. Im gleichen Moment begannen die Furien mit ihrem Geheul. Helen wunderte sich, wieso sie diesmal erst so spät erschienen waren, hielt sich mit dieser Überlegung aber nicht lange auf.
»Jason! Ariadne! Bringt sie her – aber lebend«, befahl er und sah Hector dabei streng an. Die Zwillinge liefen in die Richtung davon, in die Hector schaute. Helen nutzte den Augenblick, um aufzuspringen und um ihr Leben zu rennen.
Bisher hatte sie noch nie versucht, volles Tempo zu laufen. Und als sie hörte, wie Hector ihren Namen knurrte, dachte sie auch nicht mehr darüber nach, was es bedeuten oder wie es sich anfühlen würde, so schnell zu rennen, wie sie konnte. Sie rannte einfach.
Etwas lenkte sie hinaus in die Heidelandschaft. Das dunkle, flache Land, das sich unter dem bleichen Licht des Mondes erstreckte, kam ihr sicherer vor als die Straßen und Häuser der Stadt. Wenn sie schon sterben musste, wollte sie allein sein, ohne Leute, die sich opferten, um die arme Helen Hamilton zu retten, ihre langjährige Nachbarin und Freundin.
Und wenn sie um ihr Leben kämpfte, dann lieber unter dem weiten, tief hängenden Himmel im unbewohnten Teil der Insel und
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