Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt
ihrem Zimmer eingeschlossen, um in Ruhe nachdenken zu können, aber vorher musste sie noch das gemeinsame Abendessen hinter sich bringen. Als sie endlich aufgegessen und noch kurz über den Laden gesprochen hatten, war Helen so erledigt, dass sie beim Zähneputzen beinahe einschlief.
Am nächsten Morgen ließ sie das Frühstück ausfallen, packte ihre Lunchbox ein und rief ihrem Vater von der Haustür aus zu, dass sie heute früher in die Schule müsse. Er rief ihr noch etwas hinterher, als sie in Lucas’ Auto einstieg, aber sie tat so, als hätte sie es nicht gehört.
»Sollten wir nicht abwarten, was er will?«, fragte Lucas.
»Nein. Fahr einfach«, antwortete sie schnell.
Lucas zuckte mit den Schultern und fuhr los, als Jerry gerade an der Haustür auftauchte. Helen winkte ihm zu, aber sie wusste genau, dass sie später noch einiges von ihm zu hören bekommen würde. Und zwar nicht zu knapp.
»Okay, ich bin hier der Neue und kenne mich noch nicht so gut aus. Gibt es auf dieser Seite der Insel ein gutes Café?«, fragte Lucas.
»Wie wär’s mit dem News Store«, schlug Helen grinsend vor. »Allerdings können wir da nicht ungestört reden.«
»Wie wär’s damit?«, sagte er und hielt vor einem Restaurant, das bei den Touristen sehr beliebt war.
Helen verzog zwar das Gesicht, war aber einverstanden. Die kleinen Cafés kamen alle nicht infrage, weil Helen die Besitzer kannte und sie sich dort nicht ungestört unterhalten konnten.
Helen versuchte, Lucas nicht anzustarren, aber sie schaffte es kaum, die Augen von ihm abzuwenden. Es verblüffte sie, wie glücklich und zufrieden er aussah, wohin er auch ging, als wäre ihm die ganze Welt vertraut.
Sie versuchte, ihn aus den Augenwinkeln zu beobachten und ihn vielleicht beim nervösen Herumzappeln zu erwischen, wie sie es oft in der Öffentlichkeit machte, aber sie wartete vergebens. Es war ihm egal, ob die Leute ihn anstarrten oder nicht. Helen konnte nicht fassen, wie er einfach dastand und nichts tat, aber es inspirierte sie auch. Wieso sollte sie sich klein machen und sich dafür schämen, dass sie mehr Platz einnahm als andere Leute? Sie richtete sich ein wenig auf und starrte ihn weiterhin an.
»Hast du noch nicht genug?«, fragte er angesichts ihrer unverhohlenen Bewunderung.
»Noch lange nicht«, sagte sie, und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
Als sie am Tisch saßen, fragte Lucas, was sie wissen wolle. Helen musste einen Moment nachdenken. Sie war sich nicht ganz sicher.
»Ich glaube, als Erstes will ich wissen, wer Kate verletzt hat«, sagte sie, obwohl sie die Antwort fürchtete.
»Wir wissen es nicht«, antwortete Lucas ernsthaft. Helens Hoffnung sank. Sie wusste zwar seit dem vergangenen Abend, dass Lucas es nicht vertrug, wenn man ihn anlog, was ihn aber nicht daran hinderte, selbst die eine oder andere Lügengeschichte aufzutischen.
»Das ergibt doch keinen Sinn, Lucas«, sagte sie zögernd. »Dein Vater hat mir gesagt, dass ich die Einzige … meiner Art … bin, die kein Mitglied eures Hauses ist. Wie könnt ihr dann zwei Frauen nicht kennen, die dieser Logik zufolge mit euch verwandt sein müssen?« Lucas nickte, als verstünde er genau, wieso Helen an ihm zweifelte.
»Das Haus von Theben ist sehr groß. Unsere Familie – also die von uns, die nach Amerika zurückgekommen sind – ist nur eine kleine Splittergruppe, aber der Hauptteil des Hauses ist viel, viel größer. Man nennt ihn die ›Hundert Cousins‹ und mein Onkel Tantalus ist so etwas wie ihr Oberhaupt«, sagte er und schaute mit ausdruckslosen Augen in seinen Kaffee. »Ich habe Unmengen entfernter Verwandter, von denen ich noch nie gehört und die ich noch nie gesehen habe.«
»Wenn dein Onkel ihr Anführer ist, kannst du ihn dann nicht einfach anrufen und fragen, welche deiner Verwandten mich umbringen wollen?«
»Tantalus könnte derjenige sein, der die beiden geschickt hat«, sagte er düster. »Aber genau wissen wir das noch nicht. Mein Onkel Pallas – der Vater von Hector, Jason und Ariadne – ist nach dem ersten Angriff auf dich nach Europa zurückgereist, um herauszufinden, was Tantalus weiß.« Helen sah in Lucas’ funkelnde blaue Augen.
»Du meinst, er spioniert beim Rest des Hauses«, stellte sie überrascht fest. Lucas nickte. »Aber wieso nimmt deine Familie für mich so viel auf sich? Ich bin euch natürlich sehr dankbar, aber wieso macht ihr das? Was hast du mir bisher verschwiegen?«
Er fingerte an seinem Croissant herum und
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