Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt
die sich vor ihrem eigenen Vater schämt. Du bist übrigens total süß, wenn du in Panik gerätst«, verkündete er mit einem breiten Grinsen.
Helen wusste nicht, was sie davon halten sollte. Entweder bestätigte das Wörtchen »süß« ihre Hoffnungen, oder es drückte aus, dass es keine Hoffnung mehr gab.
Jeder, der sie unterwegs erkannte, hupte und winkte ihnen strahlend zu. Zu hupen, wenn Freunde vorbeifuhren, war auf der Insel üblich, und Helen war mit dieser Tradition aufgewachsen. An diesem Morgen kam es ihr allerdings so vor, als drückten alle extra lange auf die Hupe.
»Hör mal«, sagte Lucas, dessen Ton nun etwas ernster war. »Hector hat erzählt, dass du ihn auf dem Dach entdeckt hast.«
»Ja«, sagte Helen und versuchte, so weit im Sitz nach unten zu rutschen, dass sie keiner mehr sehen konnte. »Ach, das …«
»Ich wollte dir erklären, warum wir es dir nicht längst gesagt haben. Ich habe eigentlich darum gebeten, dass ich derjenige bin, der es dir sagt«, meinte er und warf ihr einen Blick zu, um festzustellen, wie Helen sein Geständnis aufnahm. »Ich wusste nur nicht, wie ich es dir sagen sollte. Ich wollte nicht, dass du mich für einen fiesen Stalker hältst, der dir vom Dach aus nachspioniert.«
»Ich werde nicht lügen – dich kann man ja sowieso nicht anlügen, stimmt’s?«, begann Helen grinsend. »Anfangs war ich ein bisschen sauer, aber jetzt sehe ich das anders. Wenn deine Familie bereit ist, meine zu beschützen, habe ich kein Problem damit.«
Jemand hupte besonders lange und aufdringlich und brachte Helen zum Schweigen. Am liebsten hätte Helen heftig drauflosgeschimpft, aber diese Leute waren ihre Nachbarn, und sie musste höflich bleiben. Noch hatte sie keine Krämpfe, aber sie fürchtete, dass sie bald einsetzen würden. Sie bohrte die Faust in ihren Magen.
»Was ist los?«, fragte Lucas besorgt. »Das hast du schon mal gemacht. Hast du Schmerzen?«
»Noch nicht, aber ich fürchte, dass es bald losgeht. Mach dir deswegen keine Sorgen, du kannst ohnehin nichts dagegen tun. Oder doch, du könntest weggehen und mich nie wieder ansehen«, antwortete Helen.
»Das wird nicht passieren«, verkündete er und hob die Brauen. »Aber was meinst du damit? Bist du allergisch gegen mich oder so was?«
»Nein.« Helen lachte. »Ich bin allergisch gegen Aufmerksamkeit. Und wir lenken viel zu viel davon auf uns, wenn wir zusammen sind.«
»Aber es passiert nicht nur wegen mir, oder? Du hast diese Schmerzen auch, wenn ich nicht dabei bin?«
»Ja. Ich habe sie schon mein Leben lang. Ich weiß nicht genau, wodurch sie ausgelöst werden, aber manchmal kriege ich höllische Bauchschmerzen, wenn Leute mich anstarren.«
»Allergisch gegen Aufmerksamkeit«, sagte Lucas zu sich selbst und griff geistesabwesend nach Helens Hand. Er musste sie loslassen, als er vor der Schule einparkte, doch sie waren kaum ausgestiegen, da nahm er erneut ihre Hand und wand seine Finger zwischen ihre.
Helen beobachtete Lucas, als sie zusammen vor ihrem Schließfach standen. Er wirkte abgelenkt. Sein Blick ging ins Leere, aber das Merkwürdigste war, dass er ganz verschwommen wirkte.
»Was machst du da? Ich kriege Kopfschmerzen davon«, sagte Helen leise und stellte die Kombination ihres Schlosses ein.
»Oh, tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich beuge das Licht. Das passiert manchmal, wenn ich mich konzentriere.«
Helen fiel wieder ein, dass sie über Apoll gelesen hatte, dass er der Gott des Lichts war, und Lucas hatte gerade etwas mit dem Licht angestellt, das außerhalb einer Zaubershow eigentlich unmöglich war. Sie hatte dasselbe schon im Umkleideraum bei ihm zu Hause gesehen. Allerdings hatte sie es da den vielen Kopftreffern zugeschrieben, die sie von Hector kassiert hatte.
»Hast du keine Angst, dass das jemand sieht?«
»Ehrlich gesagt, mache ich das manchmal, damit die Leute mich nicht ansehen, wenn ich in Ruhe nachdenken will. Es fällt den Menschen schwer, etwas anzusehen, das sie nicht klar erkennen können oder das eigentlich nicht möglich ist.«
»Weil ihr Blick einfach davon abgleitet«, sagte Helen, die wieder daran denken musste, wie sie versucht hatte, Lucas im Umkleideraum anzusehen, und wie sie ihn nur konturenlos erkennen konnte.
»Stimmt genau. Wenn ich zu weit weg erscheine oder zu schwer zu sehen bin, blenden die meisten Leute mich aus«, sagte er und bedachte sie mit einem wissenden Lächeln. »Du ziehst den Kopfein, wenn du willst, dass die Leute aufhören, dich
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