Goettlicher Thor 1
bist immerhin gerade auf Augenhöhe.“ Wir lachten beide, doch dann wurde Francesko rasch wieder ernst. Ich spürte förmlich, dass er jeden Moment etwas Unangenehmes fragen würde und drückte gleich einmal auf die Taste für seinen Espresso, um mich abzulenken.
„Sag, Siena ... warum hast du eigentlich keinen Mann? Du bist bildhübsch, hast eine tolle Figur, bist intelligent und hast Humor. Natürlich ist da der Draht zu Übersinnlichem, aber MICH stört der zum Beispiel überhaupt nicht. Also wie kommt es, dass nicht ein ganzer Haufen Männer ständig deine Bude einrennt?“ Wusste ich es doch ... ging es mir durch den Kopf, aber Francesko schien das wirklich zu interessieren. Und ich wollte ihm die Antwort ja auch nicht schuldig bleiben, musste mich nur noch ein wenig weiter ablenken, über die richtigen Worte nachdenken, mich sammeln. Also schaltete ich die Kaffeemaschine ab, schnappte seine schwarzgelbe Tasse und stellte sie ihm auf den Tisch. Wenn er seine Morgenlatte irgendwann wieder im Griff hatte, konnte er sich ja zu mir setzen. Seufzend ließ ich mich nieder und begann an meinem Kaffee zu nippen. Dann wandte ich mich ihm ganz zu.
„Ganz einfach ...“, begann ich, obwohl ich die Situation gar nicht einfach empfand. „... ich bin nicht interessiert und ihr Männer habt ein gutes Gespür, ob etwas geht oder nicht. Ich habe euch da immer unterschätzt, aber für möglichen oder nicht möglichen Sex habt ihr einen wirklich guten Draht. Das ist dann zwar eine recht einfache Empathie, aber es ist Empathie.“
„Ist nicht dein Ernst, oder?“ Francesko kniff die Augen zusammen und kam langsam in die Höhe. Seine Leibesmitte schien die morgendliche Anspannung bereits verarbeitet zu haben.
„Doch, wieso?“, antwortete ich mit einer Gegenfrage. „Findest du das etwa unpassend?“
„Unpassend vielleicht nicht, aber es degradiert uns in die absolute Schwanzsteuerung.“ Mit trägen Schritten kam er zum Esstisch und nahm mir gegenüber Platz. Sein männlicher Duft schwappte zu mir herüber. Bisher war mir gar nicht aufgefallen, dass ich solch einen Duft vermisst hatte.
„Und?“
„Und was? Das ist Blödsinn und ein Vorurteil.“ Mit einem grimmigen Ausdruck schnappte er sich seine Tasse.
„So, so. Ein Vorurteil. Also ich kann nur sagen, dass ich Männer zumeist nicht sehr empathisch empfinde, aber wenn es darum geht, ob etwas reingeht – und ich meine das wörtlich – dann haben sie plötzlich Antennen und Fühler zum Niederbrechen. Ist es nicht so?“
„Hm. Allmählich wirst du mir unheimlich.“
„Wieso?“
„Der Kaffee ist gut.“
„Hä? Und deswegen bin ich dir unheimlich?“, fragte ich und starrte ihn an, als wäre er noch nicht ganz munter.
„Nein. Nicht deswegen. Ich hoffe halt nur, dass du keine Männerhasserin bist.“
„Männerhasserin? Aber wo! Ich sehe sie mir doch gerne an.“ Francesko brummte empört und stellte die Tasse ab.
„Ja, das habe ich schon bemerkt. Aber für mehr als einen kurzen Blick oder einen schwulen Freund reicht es nicht. Was hat dir denn dein Ex nur Schreckliches angetan, dass du derart die Lust am Flirten und am Sex verloren hast?“
„Ich habe doch gar nicht ...“
„Klar hast du! Und du hast schon Recht. Wir merken, wenn der andere Sex möchte, sich anbiedert, sich ziert oder vorprescht. Aber das tust du alles nicht. Warum eigentlich? Weißt du nicht welche Freuden du mit einem Mann erleben kannst?“ Francesko wirkte ehrlich betroffen. Vielleicht sogar verblüfft. Und zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass er nicht so Unrecht hatte. Ich konnte mir ja wirklich nicht vorstellen, dass es irgendwann so ablaufen würde wie in einem dieser Romane, wo man sich nach dem Einen verzehrte und er nur sie und ausschließlich sie wollte. Das hier war schließlich die Realität und die Männer längst nicht mehr solch kitschigen Vorstellungen entsprungen.
„Also ehrlich, Francesko. Wo hast du denn den Satz her: Freuden mit einem Mann? Der klingt ja wie aus einem Schundroman geklaut.“ Ich lachte dämlich. „Sag jetzt nicht, dass du so etwas liest“, forderte ich ihn heraus und zwinkerte, obwohl mir klar war, dass ich nur meine Unsicherheit überspielte. Von manchen Träumen hatte ich mich einfach schon viel zu früh verabschieden müssen, um sie jetzt noch in Erwägung zu ziehen.
„Ach, Siena! Ein bisschen Romantik würde dir durchaus gut tun. Wann hast du nur aufgehört an das Glück zu glauben, an die Schönheit und das Wunderbare?
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