Goettlicher Thor 1
äußerlich strauchelte er etwas, konnte seinen Mund nicht schließen und bekam tränende Augen.
„Ja bitte?“ Unter Männern konnte ein nackter Schwanz doch wohl kein Problem sein.
„Ich – äh – bin – äh – ihr Nachbar“, stotterte der Fremde, der offenbar leichte Atemprobleme hatte. Ich begann zu lächeln. Ah, der Helfer, schoss es mir durch den Kopf, doch dieses Mal waren es meine eigenen Gedanken und nicht die von Odin.
„Na, immer hereinspaziert“, rief ich fröhlich und öffnete noch weiter die Tür.
„Aber Sie ... Sie haben ... nichts an!“, rief der Mann, der immer noch seltsam atmete.
„Gut beobachtet“, konterte ich fix und dachte mir, dass der Mann offenbar noch nie andere Schwerter begutachtet hatte. Doch dann fielen mir Odins Worte ein und seine Behauptung, dass der Mann sexuell anders orientiert war als ich und ich hörte auf zu lächeln. Natürlich hatte der Gute schon viele Schwerter begutachtet. Viel genauer vermutlich, als ich es mir gerade vorstellen wollte.
„Das lässt sich beheben. Kommen Sie rein und ich ziehe mich inzwischen an.“ Damit ließ ich ihn einfach stehen und ging schnurstracks zurück in mein Schlafzimmer. Die seltsame Hose wollte ich zwar nicht mehr anziehen, aber auf die Schnelle würde sie schon genügen.
Als ich zurückkam stand mein Nachbar im Vorzimmer und wirkte ziemlich verlegen. Offenbar hatte er nicht vor wirklich lange zu bleiben.
„Verzeihung ich bin heute erst angekommen, habe gerade noch geschlafen und bin noch ein wenig durcheinander. Ich habe nicht nachgedacht, als ich die Tür geöffnet habe. Hoffentlich haben Sie jetzt keinen schlechten Eindruck von mir.“, lachte ich weil ich das Gefühl nicht loswurde, dass der Mann total schockiert war. Doch dann hob er seinen Blick und sah mich auf ganz merkwürdige Weise an.
„Schlechten Eindruck? Bei allen Göttern. Ich habe noch nie etwas Großartigeres gesehen . Oh! Entschuldigung. Das wollte ich so nicht sagen.“ Der Mann wurde sogar rot und begann nervös von einem Fuß auf den anderen zu treten. Irgendwie fand ich das witzig, aber um dem ganzen die Peinlichkeit zu nehmen, reichte ich ihm einfach die Hand.
„Hallo, ich heiße Thor.“
„Wie bitte?“ Er reichte mir zwar die Hand, schien aber den Namen nicht verstanden zu haben und da kapierte ich, dass mein Name vermutlich nicht mehr wirklich zeitgemäß war. Also improvisierte ich und hörte auf meinen Instinkt (wobei ich hier genau hinhörte, ob nicht Odin dabei seine Finger im Spiel hatte).
„Thomas! Ich heiße Thomas, wollte ich sagen. Manche nenne mich nur Thor, weil es kürzer ist. Dann selbstverständlich mit stummen H geschrieben.“ Zum Glück war mir eingefallen, dass die mittelalterliche Bezeichnung Tor einen Narren oder eine einfältige Person beschrieb. Und solch einen Irrtum wollte ich erst gar nicht aufkommen lassen. Mein Nachbar schien das aber sowieso gleich richtig zu verstehen, denn er strahlte mich freundlich an.
„Hallo! Ich heiße Francesko und wohne gleich neben dir.“
10. Kapitel
Am Montag war ich eigentlich nicht in der Stimmung trainieren zu gehen, aber Francesko rief mich so aufgewühlt und hysterisch an, dass ich automatisch zusagte und noch auf einen Sprung vorbeikam. Natürlich hatte er, trotz der einwandfreien Verabschiedung seines Freundes an den Himmel noch mit seiner Trauer zu kämpfen. Selbst wenn man dem anderen einen wirklich guten Abgang gönnte und ermöglichte, blieb im eigenen Herzen ja doch ein mehr oder weniger großes Loch zurück. Und Trauerarbeit war wichtig für die eigene Gesundheit.
Mit mehr oder weniger gequältem Gesichtsausdruck kam ich also aus der Garderobe und arbeitete mich langsam vor bis zu den Kraftgeräten, wo Francesko gerade schuftete, als gäbe es kein Morgen. Dieses Mal war es nicht Robert, der die Gewichte donnern ließ, sondern Francesko. Mit rotem Kopf und überdimensional angeschwollenen Muskeln stemmte er seinen letzten Satz fertig.
Lächelnd kam ich auf ihn zu, weil er so voller Tatendrang war und ich gerade einmal aufrecht gehen konnte. Was wusste ich, warum ich nach einem langen Arbeitstag so derart erledigt war. Seit gestern schon fühlte ich mich nicht gerade fit und ahnte, dass die spirituelle Arbeit mit Roman doch mehr Kraft gekostet hatte, als erwartet. Dabei war das Hochgefühl danach und das Wissen, das Richtige getan zu haben, durch und durch erfüllend gewesen. Aber wirklich wissen konnte ich von diesen Dingen nichts, weil ich ja gerade mal am
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