Gold in den roten Bergen
glänzte wie eine auf dem Rücken liegende Sichel der Mond und breitete über die Einsamkeit einen Schein, der die rote Wüste mit ihren Spinifexbüscheln und Baumgerippen in eine abstrakte Landschaft verwandelte, ein rostbraunes Gräberfeld mit silbern lackierten Knochen.
»Du blutest ja, Chick«, sagte Wolf.
»Das verdammte Gras.« Chick holte sein Taschentuch hervor und wischte sich über das Gesicht. »Wollen wir hier sitzen und Wurzeln schlagen? Zum Teufel, wir müssen was tun!«
»Nicht schießen, Chick!« stammelte vom Rücksitz Boabo. »Bloß nicht schießen!«
»Dir drehe ich bei nächster Gelegenheit den Hals um! Ich möchte Vorschläge hören …«
»Feuer anmachen!« sagte Boabo kleinlaut. »Feuer ist etwas Heiliges. Am Feuer wird man Freund oder Feind …«
»Der Vorschlag ist nicht schlecht.« Wolf drückte Chicks Gewehr zur Seite und griff nach der Türverriegelung. »Ich steige jetzt aus, gehe zu unseren Frauen hinüber und mache dann ein Feuerchen.«
»Und auf dem Weg dorthin köpft dich ein Bumerang.«
»In der Nacht?«
»Solange die Aboriginals ein Ziel sehen, treffen sie auch. Und dich sieht man bei dieser Nachtbeleuchtung ganz deutlich.«
»Ihr müßt ein Zeichen geben!« ließ sich Boabo aus dem Hintergrund vernehmen.
»Darauf warte ich ja!« Chicks Knurren klang wie das eines gereizten Hundes. »Auch Schüsse sind Feuer!«
»Ein Lappen mit Benzin tut's auch …« Boabo wühlte hinten im Wagen herum, dann schob er einen mit Benzin getränkten Lappen zwischen die Vordersitze. »Anstecken und rauswerfen, dann erst aussteigen …«
»Und ich passe auf.« Chick ließ den Sicherungshebel des Gewehres knacken. »Beim ersten Bumerang beginne ich mit dem Feuerzauber.«
Wolf öffnete die Wagentür, ließ sein Feuerzeug aufflammen, zündete den Lappen an und warf ihn nach draußen. Hell lodernd fiel er in den roten Sand, eine weithin sichtbare Flamme. »Jetzt raus!« sagte Wolf zu sich selbst und sprang aus dem Wagen.
Hinter der Bodenwelle rührte sich nichts. Chick hatte sein Gewehr in Anschlag gebracht. Boabo starrte mit mahlendem Unterkiefer in die fahle Dunkelheit.
Langsam, als kenne er keine Angst und gäbe es keine Gefahr, ging Wolf zu dem VW-Bus hinüber und sah, wie Sally den Kopf durch das Fenster steckte.
»Zurück!« zischte er. »Weg mit dem Kopf.«
»Und du gehst draußen herum …«, sagte sie tonlos vor lauter Erregung.
»Gib mir durchs Fenster ein paar Holzknüppel. Und Papier …«
Cher stieg nach hinten, wo immer ein kleiner Stapel Feuerholz lag, damit man am Abend nicht erst Brennholz suchen mußte. Am frühen Morgen, vor der Weiterfahrt, wurde dann neues Holz gesammelt. Meist schlugen sie die gerippeähnlichen Äste der abgestorbenen, verdorrten Bäume ab oder sammelten die vom Wind abgerissenen Zweige.
Wolf nahm einen Armvoll Äste durch das Fenster entgegen, ging damit, ebenfalls langsam und damit ein vortreffliches Ziel bietend, zu dem halb eingeknickten Zelt und schichtete das Holz auf der Erde auf. Chick saß lauernd hinter seinem Gewehr, die Bodenwelle im Visier.
»Dieses Zeitlupentempo bringt mich um!« knirschte er. »Warum geht er nicht schneller?«
»Er zeigt allen: Ich bin kein Feind«, sagte Boabo von hinten leise.
»Das weiß doch jeder. Du lieber Himmel, sind wir denn noch in der Kolonialzeit?«
»Mein Volk hat diese Zeit noch nicht vergessen, Chick. Hier im Reservat sind die Aboriginals die Herren, und sie verteidigen diese Selbständigkeit. Das ist das einzige, was ihnen geblieben ist.«
»Und das Saufen!«
»Daran seid ihr, die Weißen, schuld. Wer hat ihnen denn den Alkohol gebracht? Sollen sie sich doch zu Tode saufen, denkt ihr, dann lösen sich alle Probleme von selbst. Und so wird's auch kommen …«
»Da wollen uns Knollennasen wie du an den Kragen, und du hältst politische Vorträge!« schrie Chick und beobachtete dabei Wolf. Der hatte das Papier angezündet und legte nun dünne Zweige auf die Flamme, die sofort das trockene Holz erfaßte. Ein helles Feuer leuchtete auf, auf das Wolf die dickeren Äste warf. Durch die stille Nacht klang das Knacken des brennenden Holzes.
»Das ist gut«, sagte Boabo zufrieden. »Wolf macht es richtig. Wir können aussteigen.«
»Und dann?«
»Nichts. Vielleicht schicken sie einen Unterhändler.«
»Wie im Krieg! Ihr habt ja alle eine Lücke im Hirn!«
Chick und Boabo stiegen aus dem Wagen, nachdem Chick noch einen Moment lang gezögert und das Gewehr in den Händen hin und her geschaukelt hatte.
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