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Gold in den roten Bergen

Gold in den roten Bergen

Titel: Gold in den roten Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weiter geschah.
    »Ich wußte, daß Sie kommen«, sagte der Alte mit etwas schwerer Zunge. Aber er sprach deutlicher, als Wolf es bei seinem Zustand angenommen hätte.
    »Schlangen und Giftameisen, Petoo. Aber wir haben's ihnen gegeben … mit Feuer und heißer Linsensuppe.«
    »Ihr hättet selbst mit dem Feuer der Sonne nicht gesiegt. Die Götter waren zornig … Sie hätten noch andere Plagen geschickt.«
    »Können wir hier das Zelt aufschlagen?«
    »Das Land ist weit … Für jeden ist Platz.«
    Chick drückte dreimal auf die Hupe, das Zeichen, daß alles in Ordnung war. Sally und Cher kletterten aus dem Bus und kamen zu ihnen herüber. Auch Boabo wurde sichtbar und zerrte den Packsack mit der Zeltplane aus dem Wagen.
    Abseits von den noch immer regungslosen Aboriginals bauten sie ihr Lager auf. Cher setzte einen neuen Topf Linsensuppe auf den Gaskocher, allerdings jetzt ohne zusätzlichen geräucherten Speck. »Wenigstens den hättest du rausnehmen können, bevor du die Suppe über die Ameisen gekippt hast!« giftete sie Chick an, und der sagte darauf leise zu Wolf: »Die wird sich nachher wundern, wie ich ihre Hysterie austreibe!« Dabei schnalzte er mit der Zunge.
    Sie aßen, tranken mit Fruchtsaftkonzentrat gemischtes Wasser, um die Aboriginals nicht durch Alkoholgeruch aufzuscheuchen, und der Alte kam mit einem Arm voller Holz, entfachte ein kleines Feuer und hockte sich neben Wolf auf die Erde.
    Boabo war mit dem Beil unterwegs. Man hörte, wie er die trockenen Äste von den verdorrten Bäumen schlug und dabei leise in seinem Aboriginaldialekt vor sich hinsang. Er hatte Angst, und er sang ein uraltes Loblied auf die Götter; ein monotoner Singsang wie vor Tausenden von Jahren war es.
    »Warum gibt es Sie nicht mehr, Petoo?« fragte Wolf. Er hatte dem Alten einen Zigarillo angeboten, den dieser jetzt mit tiefen, gierigen Zügen rauchte. »Warum ist der Maler Balwinoo tot für die übrige Welt?«
    »Sie haben mich betrogen, Mister. Alle haben mich betrogen, alle, die ich kannte und denen ich vertraute. Wie viele schöne Bilder habe ich gemalt, nicht nur Motive aus unseren Sagen und aus der Welt der Tiere und Pflanzen, was die Weißen Primitivkunst oder naive Kunst nannten. Nein, ich habe alles gemalt, was ich sah: die Berge, die Wüste, die Schluchten, die heiligen Seen, die Quellen, das Gras und die Bäume. Und jeden Monat kam ein Mann mit einem Range Rover zu unserer Familie, kaufte die Bilder, ließ neue Farben, Leinwand oder Holzplatten da, und ich malte, malte den ganzen Tag und war glücklich, wenn ich einen roten Felsen und die Weite der ihn umgebenden Wüste fertig hatte. Wieviel bekam ich für so ein Bild? Mal dreißig Dollar, mal hundert Dollar, wenn es besonders gut gelungen war … wenn es hell und fröhlich war, mit viel weißer Farbe darin. Ich mußte, je länger ich malte, anders malen, als ich wollte. Anders, als ich mein Land sah. Anders, als es ist und wir sind. Wo ist Fröhlichkeit in der Wüste? Und wenn es hell ist, quält uns die Sonne, trinkt uns das Wasser weg, verendet das Vieh, brennt in uns der Durst. Aber sie wollen viel Weiß in den Bildern haben, die Weißen. Und wenn der Mann aus der Kunstgalerie von Alice Springs kam, brachte er große Töpfe weißer Farbe mit und sagte: ›Fröhlich malen, Petoo, leuchtende Farben.‹ Es ist nicht unsere Farbe, das Weiß. Seit Jahrtausenden malen wir mit Gelb wie die Sonne, mit Rot wie die Berge und die Wüste, mit Schwarz wie die tiefe Nacht und mit Grau wie die Schatten in den Höhlen. Aber Weiß? Wo ist hier Weiß? Zeigt mir in der Wüste oder in den Bergen ein einziges Weiß! Ich habe dem Kunsthändler das gesagt. Und er hat mich angelacht, vier Finger in die Luft gestreckt und an ihnen abgezählt: ›Rot, gelb und schwarz, das sind nur drei Rassen auf dieser Erde. Aber die vierte ist weiß, und das ist die wichtigste. Deshalb muß immer Weiß ins Bild, viel Weiß. Verstehst du das?‹ – Ich habe genickt – was sollte ich anderes tun? Aber ich bin sehr nachdenklich geworden. Das mit den Rassen hat mich nicht losgelassen.«
    Petoo Balwinoo nahm den Hut ab. Ein leichter, noch warmer Wind wehte über die Wüste und ließ seine dünnen, strähnigen weißen Haare flattern. Sally gab ihm einen Becher mit dem Wasser-Fruchtsirup-Gemisch. Der Alte roch daran, verzog voller Ekel den Mund und schüttete den Becher aus.
    »Whisky …«, sagte er.
    »Nein!« antwortete Chick.
    »Dann einen Lappen mit Benzin …«
    »Zum Petrol-sniffing, was? Auch

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