Gold und Stein
werden ein Erfolg. Rehbinder wird es schon richten, verlass dich darauf.«
»Euer Vertrauen ehrt mich, junger Mann«, tönte eine volle Stimme vom Eingang herüber. Editha, Gernot und Caspar fuhren herum. Rehbinder stand dort! Im Gegenlicht der Vormittagssonne waren die Umrisse seiner kleinen, dicken Gestalt unverkennbar. Mit der Hand wischte er sich über die Stirn, bevor er sich schwerfällig wieder in Bewegung setzte. »Pass auf!«, stieß er einen Knecht beiseite, der ihm mit einem der Fässer zu nahe kam. Ein anderer rempelte ihn rückwärts an. Verärgert schüttelte Rehbinder den Kopf.
»Seid vorsichtig, Männer!«, mahnte Caspar und eilte dem Zunftgenossen zu Hilfe. »Wie schön, Euch zu sehen!«
Als die beiden dicht vor ihr standen, musste Editha die Luft anhalten. Rehbinder umfing nicht nur der übliche Geruch nach Schweiß. Von Kopf bis Fuß zeigte er deutliche Spuren des Abenteuers, das hinter ihm lag: Der bunte, viel zu eng sitzende Rock war über und über mit Dreck beschmiert, an manchen Stellen gar von Feuer versengt. Zudem meinte Editha, auch Blutflecken darauf auszumachen. Die Strumpfhosen an den massigen Beinen waren zerrissen, die viel zu langen Schnabelschuhe in einem erbärmlichen Zustand. Rehbinders feistes Gesicht glänzte feucht.
»Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie froh ich bin, wieder hier zu sein«, schnaufte er und wischte sich mit dem Handrücken abermals über Stirn und Wangen. Strähnig hing ihm das gelblich graue Haar um den Schädel, das fleckige Barett bedeckte es kaum.
»Es ist ein Wunder!« Gernot wirkte nach wie vor matt. »Ihr müsst uns berichten, was Euch widerfahren ist. Am besten trinkt Ihr einen guten Schluck Wein mit mir. Los, Caspar, sag Anna, sie soll uns von dem Rheinländer sowie reichlich Käse, Schinken und Brot oben in die Stube bringen.«
Geschäftig packte er Rehbinder am Arm und drängte ihn die Treppe hinauf. Eilig folgte Editha den beiden. Sie hoffte, Anna hatte ordentlich aufgeräumt. Nicht auszudenken, wenn die Männer auf dem Tisch die Spuren ihres Unwohlseins erblickten!
8
T rotz allen Bemühens gelang es Editha nicht, sich an Rehbinder und Gernot vorbeizudrängen. Schon betraten die Männer vor ihr die Stube. Der Tisch sah auf den ersten Blick genauso aus, wie Editha ihn verlassen hatte. Doch dann beruhigte sie sich: Zumindest die Schale, in die sie sich übergeben hatte, war beseitigt. Das Tischtuch war glattgestrichen, Geschirr und Becher an ihren Platz gerückt. Außer ihr hatte niemand von den Speisen genascht. Die Tafel konnte gut zu Rehbinders Bewirtung dienen.
Beflissen wies Gernot seinem Gast einen Platz an der Längsseite zu und ließ sich selbst am Kopfende nieder. Editha machte sich daran, Rehbinder einen Teller mit einem Imbiss zu füllen. Gierig machte er sich über die Köstlichkeiten her. Ohne Umschweife griff er nach einem Becher und goss sich Bier ein.
»Ihr seid wohl im letzten Moment aus Wehlau entkommen«, begann Gernot und schenkte sich ebenfalls von dem lauwarmen Bier ein. »Wie ist Euch das gelungen? Die ersten Nachrichten, die heute früh hier eingetroffen sind, ließen das kaum für möglich halten.«
»Es war knapp, mein Lieber.« Rehbinder sprach mit vollem Mund. »Allein dem Aufruhr nach der Schlacht habe ich es zu verdanken, dem Unglück entronnen zu sein. Gott, der Allmächtige, ist mir wohlgesinnt. Nach einer Nacht im Freien ist es mir gestern gelungen, ein Pferd aufzutreiben und hierher zurückzureiten. Ein lahmer Gaul, sage ich Euch. Doch ich will nicht klagen. Meinem Aufzug könnt Ihr entnehmen, dass ich bislang keine Zeit hatte, mich zu säubern. Gleich bin ich zu Euch, um Euch zu versichern, dass Eure Geschäfte unbeschadet weitergehen. Längst hat mein Gewährsmann in Wehlau …«
»Dann habt Ihr das Geld schon übergeben?«, mischte Editha sich ein, woraufhin Gernot ihr einen bösen Blick zuwarf.
»Aber natürlich! Sofort, nachdem mich Euer Herr Gemahl vor einem Monat dazu aufgefordert hat. Seither war ich übrigens nicht nur in Wehlau unterwegs. Ihr wisst, ich verdinge mich längst als Makler und habe sehr viel in den verschiedensten Städten …«
»Ja, ja, ich weiß«, schnitt Editha ihm das Wort ab. »Wie könnt Ihr sicher sein, dass Euer Gewährsmann in Wehlau trotz der blutigen Ereignisse weiter …«
»Ich denke, es reicht, meine Liebe«, wies Gernot sie zurecht. »Wolltest du nicht längst bei Anna in der Küche nachschauen, wo der Wein bleibt? Rehbinder und ich haben Angelegenheiten zu
Weitere Kostenlose Bücher