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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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über diese Pracht.
    »Ein sehr reicher Mann – das kann man von Felbert wirklich sagen.« Mit einem verträumten Lächeln auf dem runden Gesicht unterbrach Marie ihr Tun. »Felbert ist ein überaus vermögender Kaufmann aus dem Kneiphof. Er macht alles zu Geld. Wenn er dürfte, würde er den Kreuzherren auch das Bernsteinregal wegnehmen und diese geheimnisvollen Steine aus dem Meer selbst verkaufen. Gewiss würde er dabei noch höhere Preise erzielen als der Großschäffer, und der gilt bereits als sehr rührig. Doch Felbert ist nicht nur reich, sondern auch großzügig. Und offenbar schwer verliebt: Gleich nach seiner Rückkehr aus Flandern letzte Woche hat er diese Borten als Geschenk für seine Frau bestellt. Die Goldfäden hat er eigens von Goldspinnern in Brügge herstellen lassen. Nichts scheint ihm zu teuer. Kein Wunder: Seine Gemahlin steht kurz vor der Niederkunft mit ihrem ersten Kind.«
    »Wie muss der Herr seine Frau lieben, wenn er ihr solche Kostbarkeiten schenkt?«, fragte Agnes verzückt.
    »Manchmal ist es weniger die Liebe, die einen Mann dazu bewegt, teure Geschenke zu machen«, stellte Theres fest, legte das Band beiseite und schickte sich an, mit dem Schweifrahmen die Kettfäden für das nächste Stück abzumessen. »Oft treibt ihn auch das schlechte Gewissen in unsere Werkstatt. Dann kann die Borte gar nicht genug Gold und Silber aufweisen, von den sündhaft teuren Seidengarnen ganz zu schweigen. Je wertvoller die Borte wird, desto lieber ist es ihm und desto größer ist wohl die Schuld, die er mit dem Geschenk begleichen will.«
    Marie wurde nachdenklich. »Sei vorsichtig, was du sagst. Nicht jeder Kaufmann, der seiner Frau ausgefallene Geschenke macht, tut dies eines schlechten Gewissens wegen.«
    »Oh, verzeih, meine Liebe«, fiel Theres ihr ins Wort und zwinkerte Agnes verschwörerisch zu. »Wie konnte ich vergessen, dass du nach wie vor davon träumst, jeder Mann trüge ein goldenes Herz in der Brust? Gerade unter den Kaufleuten aus dem Kneiphof oder der Altstadt wirst du kaum eine wirklich reine Seele finden. Oder denkst du nicht auch, ein einziges Band hätte es als Liebesbeweis getan? Noch dazu, da jeder weiß, dass der gute Felbert eben erst von einer längeren Reise zurückgekehrt ist. Sei nicht allzu betrübt, Liebes. Die Felberts können dir einerlei sein. Eines Tages findest du bestimmt einen gutmütigen Knecht hier im bescheidenen Löbenicht. Den ehrlichen Burschen hier fehlt es im Vergleich zu den Kneiphöfern zwar leider an der nötigen Barschaft, dafür aber sind sie durch und durch treue Seelen.«
    Ob Theres’ kecker Bemerkung glühten Maries runde Wangen. Ihre fleischigen Lippen bebten. Dann ging ein Ruck durch ihren Körper, und sie zischte: »Mir scheint, meine liebe Theres, du selbst hast üble Erfahrungen gemacht und sprichst deshalb so schlecht über derart kostspielige Liebesbeweise. Wollen wir für unsere liebe Kleine hier nur hoffen, ihr widerfährt nichts dergleichen.«
    Damit reichte sie Agnes eine leere Winde sowie einen Ballen Garn und zeigte ihr, wie sie die Fäden aufwickelte. Theres beschäftigte sich wortlos mit dem Abmessen der Kettfäden. Die Stille drückte Agnes aufs Gemüt. Sie war froh, dass die ihr zugewiesene Aufgabe ihre volle Aufmerksamkeit beanspruchte. Zu ihrem Leidwesen zeigte sie keinerlei Geschick im Umgang mit den verschiedenen Fäden, Spulen, Schiffchen und anderen Gerätschaften zum Bortenmachen.
    »Du bist für diese Arbeit nicht geschaffen«, stellte Marie mitleidig fest. »Deine Finger sind zwar rank und schlank, bewegen sich aber nicht behende genug. Immer wieder bringst du Knoten hinein. Hier, sieh nur, an dieser Stelle schon wieder!« Damit nahm sie ihr Winde und Garn aus der Hand und wickelte binnen kürzester Zeit die Fäden ordentlich auf.
    »Vielleicht liegt es weniger an der Flinkheit der Finger als daran, dass sie mit den Gedanken ganz woanders ist?« Theres schenkte Agnes ein spöttisches Lächeln. »Pass auf, Kleines, woran du denkst, während du die Fäden auf die Wellen wickelst. Ehe du dich’s versiehst, wird es sonst an einer Stelle viel zu dick und an der anderen zu dünn. Deine Muhme wird nicht entzückt sein, wenn du das teure Garn verdirbst.«
    »Eigentlich ist sie froh, dass du das Brauen so viel besser als wir beide beherrschst«, beeilte sich Marie anzubringen.
    »Du selbst freust dich am meisten, nicht mehr Einmaischen zu müssen.« Theres lachte und zeigte ihre strahlend weißen Zähne. »Wenn ich nur daran

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