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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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weiß er sofort, was sich dahinter verbirgt.«
    »Danke Euch.« Mit wachsendem Schrecken hatte Editha seinen Beschreibungen gelauscht. Sie erhob sich, murmelte hastig: »Entschuldigt, ich muss nachsehen, wo mein Gemahl so lange bleibt«, und eilte zu Rehbinders Verwunderung ebenfalls aus der Stube.
    Auf dem kleinen, dämmrigen Flur stieß sie mit Gernot zusammen. Rasch legte sie den Zeigefinger auf die Lippen und zog ihn ins rückwärtig gelegene Schlafgemach. Noch war das Bett zerwühlt, die Spuren der Nacht nicht beseitigt. Energisch drückte sie ihn auf die Bettkante hinunter und baute sich dicht vor ihm auf.
    »Es wird eng«, erklärte sie. »Über deinem Kopf braut sich etwas zusammen. Ich fürchte, meine schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet.«
    »Was sagst du da? Wer ist das in Wehlau? Es klingt, als wollte er mir etwas Böses. Aber wieso?«
    »Der Name sagt mir wenig. Doch so, wie Rehbinder sie beschreibt, gibt es kaum einen Zweifel.«
    »Du denkst an jemand Bestimmten? An wen? Ich kenne überhaupt niemanden in Wehlau. Wer sollte mir Übles wollen? Ich habe dir schon mehrmals gesagt, dass ich mir in meinem bisherigen Leben nichts habe zuschulden kommen lassen.«
    »Und ich habe dir schon mehrmals gesagt, dass du dich damit gefährlich täuschst, mein Lieber. Einmal im Leben hast du …«
    »Dann steckt also Gunda dahinter?« Ungläubig sprach er den Namen aus. Sein Gesicht wurde aschfahl, die Lippen bebten.
    Von neuem erfasste sie Unwohlsein. Bittere Galle stieg ihr in die Kehle. Hastig schlug sie die Hand vor den Mund, schaffte es gerade noch, sich umzudrehen und tief vornübergebeugt in das Nachtgeschirr zu speien.
    »Und ausgerechnet jetzt bist du in anderen Umständen!«, platzte Gernot zu ihrer Überraschung scharfsichtig heraus. »Was sollen wir tun?«
    »Wir?«
Langsam richtete sie sich wieder auf, wischte sich den Mund und sah ihn vorwurfsvoll an. »Das hätte ich mir denken können! Wenn es eng wird, müssen
wir
etwas tun. Dann habe ich als deine Frau treu an deiner Seite zu stehen.«
    »Editha, Liebste, wie kannst du nur? Willst du mich etwa ausgerechnet jetzt im Stich lassen?« Über ihren Worten war er noch weiter erblasst. Fahrig verkrampfte er die Finger in der Bettwäsche, seine Augen schimmerten feucht. Mitleid flammte in ihr auf. Zärtlich strich sie ihm über die Wange, presste seinen Kopf gegen ihren Leib.
    »Keine Sorge, mein Liebster, natürlich werde ich dich nicht im Stich lassen. Noch ist es gar nicht sicher, ob wirklich Gunda hinter allem steckt. Das herauszufinden wird mein erster Schritt sein. Vielleicht solltest du für einige Zeit auf Reisen gehen. Dann fällt es auch nicht so auf, dass ich mich wieder mehr um die Geschäfte kümmere und mich unter den Kaufleuten umhöre. Was hältst du von Riga? Täusche ich mich, oder hast du da so kurz vor Herbstbeginn nicht noch einige wichtige Angelegenheiten zu erledigen?«
    Verwirrt sah er sie an. Sie schmunzelte. »Vergiss nie, mein Lieber: Auch wenn es auf den ersten Blick düster aussieht: Das Gewitter kann sich rasch wieder verziehen. Selbst ein unglückseliger Tag wie heute hält bei allem Unglück stets auch eine gute Neuigkeit bereit.«
    Sie griff nach seiner Hand und legte sie auf ihren Unterleib. »Vielleicht ist das alles auch ein Zeichen, dass sich zumindest in dieser Hinsicht alles zum Guten für uns wendet.«

9
    F röhlich trällerten Theres und Marie an den Webstühlen ihre Lieder, während ihre Finger die Kämme durch die Fäden sausen ließen. Die schwarzgelockte Theres verfügte auch beim Singen über eine hervorragend hohe Stimme. Sie passte bestens zu ihrer zierlichen Gestalt. Marie ergänzte den Gesang mit einer sehr dunklen, fast schon männlichen Tonlage, was angesichts ihres fülligen Leibes ebenso wenig verwunderte. Gern lauschte Agnes ihren Weisen. Aufmerksam beobachtete sie die beiden bei der Arbeit. Auch dabei waren sie aufs trefflichste aufeinander abgestimmt. Unter flinken Handgriffen entstanden binnen kürzester Zeit die schönsten Bänder, Kordeln und Borten. Voller Neid versuchte Agnes, das Geheimnis zu ergründen, wie sie das bewerkstelligten. Gerade webten sie an bunten Bändern, die mit kostbaren Gold- und Silberfäden durchzogen und mit rotem Seidengarn bestickt wurden.
    »Wer bestellt gleich zwei so wunderschöne Stücke auf einmal? Das muss ein sehr reicher Mann sein.« Agnes spähte ihnen neugierig über die Schultern. Selbst nach gut zwei Wochen in Agathas Haus staunte sie noch immer

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