Gold und Stein
besprechen, die eine Frau wie dich langweilen.«
»Macht Euch meinetwegen nur keine Umstände!«, beeilte sich Rehbinder zu versichern. »Als gebürtige Kaufmannstochter und langjährige Kaufmannsgattin beweist Eure verehrte Frau Gemahlin doch jeden Tag aufs Neue ihren Sinn für die Geschäfte, lieber Fischart. Begleitet sie Euch nicht häufig zur Holzwiese? Während Eurer Reisen steht sie unten in der Diele, um das Ruder in der Hand zu behalten. Mit Verlaub: Eine sachkundige Gemahlin habt Ihr an Eurer Seite. Es wird Euch freuen zu hören, Verehrteste, dass mein Gewährsmann in Wehlau ebenfalls eine tüchtige Frau ist.«
»Was?«, riefen Gernot und Editha wie aus einem Mund. Da erst dämmerte es Rehbinder, welch entscheidender Fehler ihm unterlaufen war. »Also, das heißt, genau genommen …«, stammelte er hilflos, um zu retten, was nicht mehr zu retten war.
»Eine Frau also«, griff Editha betont ruhig das Gesagte auf und setzte sich neben Rehbinder, legte ihre kleine Hand auf die seine und spürte dem Zittern nach, das ihn durchlief. Ruhig suchte sie seinen Blick, lächelte gewinnend. Zugleich schob sie den üppigen Busen etwas weiter heraus. Der Ausschnitt ihres Kleides kam den angeschwollenen Brüsten sehr zupass. Das makellose Weiß der Haut hob sich vorteilhaft von der dunkelgrünen Einfassung am Saum ab. Aufreizend befeuchtete sie die Lippen mit der Zunge. Es freute sie zu sehen, wie ein scheues Funkeln in Rehbinders erschöpften Augen aufleuchtete. »Ich weiß, mein Bester, Ihr habt versprochen, meinem Gemahl nichts Genaueres zu verraten. Ebenso musste er Euch sein Wort geben, nicht nachzuforschen, wer an der Allemündung so erpicht darauf ist, die günstigen Geschäfte ausgerechnet mit ihm zu tätigen. Doch mir, mein Lieber, könnt Ihr es doch ruhig sagen. Ich stehe außen vor.«
Rehbinder wurde unbehaglich. Das Funkeln in seinen Augen erlosch. Mit der freien Hand fuhr er am Kragen seines schmutzigen Rocks entlang. Er reckte den stiernackigen Hals.
»Angesichts der jüngsten Ereignisse gebe ich Euch zu bedenken, wie wichtig es ist, dass außer Euch zumindest ich noch den Namen kenne«, fuhr sie eindringlich fort. »Es geht um eine gewaltige Summe Geldes, wie Ihr wisst. Wie schnell ist alles verloren. Stellt Euch vor, es stößt Euch etwas zu. Das wollen wir zwar niemals hoffen, dennoch liegt es im Bereich des Möglichen. Niemand weiß dann, wer in Wehlau anzusprechen ist. Natürlich gebe auch ich Euch mein Ehrenwort, keinem anderen gegenüber ein Wort zu verlieren. Zudem wird mein lieber Gemahl verstehen, dass Ihr mir das nur unter vier Augen preisgeben könnt. Gernot«, wandte sie sich sogleich auffordernd an ihn.
Erstaunlich schnell begriff er und erhob sich von seinem Stuhl. »Ich gehe wohl besser selbst nachsehen, wo Anna mit dem Wein bleibt. Nicht, dass sie per Schiff nach Danzig gefahren ist!« Verkrampft lachte er auf. Als die beiden anderen auf den Scherz nicht eingingen, beugte er sich vor, hauchte Editha einen Kuss aufs Haupt, nickte Rehbinder aufmunternd zu und verließ die Stube.
Kaum hatte sich die Tür geschlossen, fragte sie: »Nun?«
Rehbinder zögerte, holte Luft. Unruhig wanderten seine Augen in der Stube umher. »Also gut«, begann er endlich. »Ihr werdet sie ohnehin nicht kennen. Doch es leuchtet mir ein, wie wichtig es ist, dass außer mir noch jemand Bescheid weiß. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr fällt mir auf, wie ähnlich Ihr beide Euch seid. Mit Verlaub, Verehrteste: Ich bin mir sicher, würdet Ihr sie jemals treffen, würdet Ihr sie sofort als Eure Freundin in die Arme …«
»Wie heißt sie?«, hakte sie nach, bevor er ganz in seiner Schwärmerei aufging.
»Fröbelin, Gunda Fröbelin«, erwiderte er hastig, um dann mit versonnenem Blick weiter auszuholen: »Eine treffliche Frau, von sehr klugem Verstand, genau wie Ihr, Teuerste. Sie dürfte in etwa Euer Alter haben. Auch ist ihre Tochter im selben Alter wie Euer Sohn und begleitet sie ebenso interessiert bei ihren Geschäften wie Caspar Euch und Euren Gemahl bei den Euren. Ein hübsches Mädchen, der Mutter ganz wie aus dem Gesicht geschnitten: ungewöhnlich groß gewachsen, schlanker Leib, glattes, dunkles Haar, bernsteinfarbene Augen. Lediglich am Hals hat sie wohl ein entstellendes Mal. Die Ärmste! Dabei bindet sie stets ein Tuch darum, ganz ähnlich dem Eures Sohnes, und hofft, niemandem fiele das auf. Doch wenn jemand andere Menschen kennt, die ein vergleichbares Zeichen im Nacken tragen, dann
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