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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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vorbei. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, sind wir am Ende!«
    Er hielt inne, holte Luft. Dabei traf sein Blick Editha. Unfähig, etwas zu sagen, kämpfte sie wieder mit der Übelkeit.
    »Du hast gar nichts mitbekommen?« Verständnislos starrte Gernot sie an. »Sicherlich weißt du wenigstens, dass Reuß von Plauen mit seinen Truppen vor einigen Wochen auf Wehlau marschiert ist. Zu Lande und zu Wasser wollte er die Aufmüpfigen in die Zange nehmen. Hohe Wälle haben die wackeren Bürger gegen ihn errichtet. Über eine erstaunlich lange Zeit haben die sogar standgehalten und die Kreuzherren vom Angriff abgehalten. Heute früh aber ist ein Bote eingetroffen, der Entsetzliches berichtet hat. Vor zwei Tagen ist es vor den Mauern der Stadt zu einem offenen Kampf gekommen. Nach dem Scharmützel hatten die Wehlauer mehr als drei Dutzend Tote zu beklagen und mussten den Kreuzherren etliche Gefangene überlassen.«
    »
Heaven …,
oh, wie entsetzlich!«, verkniff Editha sich gerade noch rechtzeitig eine abermalige Ausflucht in ihre Muttersprache. Kraftlos lehnte sie sich gegen die Schulter ihres Sohnes, war ihm unendlich dankbar, dass er sie stützte, während sein Vater sich so gefühllos zeigte. »Was aber hat das mit deinen Geschäften …? Sind deine Hölzer aus Wehlau nicht längst hier eingetroffen? Damit ist doch alles …«
    »Nichts ist gut!«, brauste Gernot abermals auf. »Ich habe es schon immer gewusst: Du hast keine Ahnung vom Geschäft! Es kümmert dich einfach nicht. Dabei bist du eine Kaufmannstochter! Natürlich ist eine Lieferung litauischen Eibenholzes längst hier eingetroffen. Wir beide haben gemeinsam auf der Holzwiese gestanden und auf den Braker gewartet. Aber das war doch erst der Anfang. Eben weil es sich so gut anließ, bin ich übermütig geworden. Zudem hat mir Rehbinder berichtet, wie versessen der unbekannte Wehlauer an weiteren Abschlüssen mit mir wäre. Also habe ich Hornochse alle Vorsicht fahren lassen und Rehbinder den gesamten Kaufpreis für die nächste Ladung im Voraus aufgeschwatzt. Was hat sich der gute Mann dagegen gewehrt und an meine kaufmännische Vernunft gemahnt! Ich törichter Narr aber habe nichts davon hören wollen und ihm das Geld in die Rocktasche gesteckt. Ich hatte Angst, ein anderer könnte mir zuvorkommen und die gute Quelle abspenstig machen. Noch dazu wollte ich allen beweisen, wozu ich als Kaufmann imstande bin. Dabei hätte ich ahnen müssen, wie es ausgehen wird. Das Geschäft wird platzen, alles im Trubel des Scharmützels untergehen. Wenn nur Rehbinder nichts geschieht! Sollte er meinetwegen zu Schaden kommen, würde ich mir das nie verzeihen. Einen Menschen auf dem Gewissen zu haben ist etwas Furchtbares. Und das alles nur, weil ich den Hals nicht vollkriegen konnte!«
    Verzweifelt raufte er sich die nackenlangen Haare, fuhr mit den Fingern am Kragen seines Rocks entlang, verharrte hinten im Nacken. Editha wusste, dass er das Feuermal betastete.
    Caspar rührte sich als Erster. Aufmerksam hatte auch er den Worten seines Vaters gelauscht. Anders als Editha aber schien ihn die Aussicht auf das drohende Ende ihres Handelshauses nicht sonderlich zu verstören. Im Gegenteil. Mit einem siegesgewissen Schmunzeln trat er auf den Vater zu und legte ihm kameradschaftlich den Arm um die Schultern. »Noch ist nichts verloren, Vater! Der Bote hat zwar von der Schlacht berichtet, doch die liegt bereits zwei Tage zurück. Vorhin an der Lastadie habe ich schon wieder ganz andere Nachrichten aufgeschnappt. Trotz der hohen Verluste haben sich die Wehlauer hinter ihre Befestigung zurückziehen können. Reuß von Plauen rennt wohl weiter gegen die Mauern an. Er wird also die Verluste der Wehlauer teuer bezahlen. Nicht nur mit Mann und Ross, auch mit Booten und Ausrüstung.«
    »Umso schlimmer! Sollte Rehbinder mein Geld schon übergeben haben und das Eibenholz aus Litauen in Wehlau bereitliegen, wird es mit jedem Tag ärger. Je länger die Kämpfe dauern, desto eher wird alles zerstört. Am Ende wird alles mitsamt den Booten, Kähnen und Schanzen verbrennen, was den Kreuzherren bei ihrem Angriff im Weg steht. Zu nutzloser Asche verbrennen wird auch mein guter Ruf, den ich als Kaufmann genossen habe. Schon höre ich sie über mich lachen. Und was das Schlimmste ist: Sie tun es zu Recht! Welcher Teufel hat mich bei alldem nur geritten?«
    »Du siehst das viel zu schwarz.« Caspar blieb zuversichtlich. »Du wirst derjenige sein, der über die anderen lacht. Deine Geschäfte

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