Gold und Stein
Frieden mit Lore gemacht, doch bezweifelte sie, ob sie imstande sein würde, sich wie versprochen mit der Tochter auszusöhnen.
»Seid Ihr sicher, dass Ihr fortwollt? Jetzt, da Wehlau wieder frei ist, wird es nicht lange dauern, bis Agnes zurückkehrt.«
Griet erhob sich von der Bank und stellte sich dicht zu ihr hin. Zunächst zögerte sie, dann aber wagte sie doch, ihr den Arm um die Schultern zu legen und sie kurz zu drücken. Auf ihrem Gesicht lag echte Besorgnis.
»Eine Frau allein unterwegs, das ist immer sehr gefährlich«, meldete auch Ulrich Bedenken an. Die Narbe um das fehlende Auge auf seiner linken Gesichtshälfte wirkte nach den Wochen des Hungers noch wulstiger als sonst. Sein rechtes Auge schimmerte feucht. Als einziger Mann aber wollte er sich vor den beiden Frauen nicht die Blöße geben und offen weinen. Das rührte Gunda. Dennoch fühlte sie sich außerstande, den beiden die Wahrheit zu sagen: dass Agnes auch nach dem Ende der Gefechte nicht freiwillig nach Wehlau zurückkehren würde. Zu sehr hatte sie als Mutter versagt.
»Macht euch keine Sorgen. Ich schaffe das«, erklärte sie und spürte, wie sie sich damit selbst Mut zusprach. »Wie ihr wisst, habe ich schon ganz andere Dinge in meinem Leben überstanden.«
12
D ie wachsende Beliebtheit von Agathas Bier bescherte im Anwesen an der Krummen Grube zusätzliche Arbeit. Die ersten Fässer des mit Agnes’ Hilfe gebrauten Gerstensafts waren rasch leer. Aus immer entlegeneren Gassen tauchten die Kunden auf und ließen sich die Kannen bei der Streicherin füllen. Neben Meister Jörgen aus dem Goldenen Hasen in der Altstadt erkundigten sich weitere Krüger, ob sie Bier aus dem Haus an der Krummen Grube beziehen konnten. Wie die anderen Löbenichter Bürger hatte die Muhme jedoch nur noch alle vierzehn Tage Anrecht auf die kupferne Braupfanne und das Braugerät.
»Vielleicht kann man noch eine weitere Pfanne leihen und vorübergehend jede Woche brauen«, schlug Agnes vor, als die vier Frauen beim morgendlichen Imbiss saßen.
»Die Zeiten sind wohl vorbei. Anders als im Sommer rücken die Kneiphöfer und Altstädter ihre kupfernen Pfannen nicht mehr heraus. Im Löbenicht sind ohnehin zu wenige von den großen Pfannen vorhanden. Mit den kleineren aber kommen wir erst recht nicht aus.« Agatha wurde nachdenklich. »Zudem müssten wir beim Rat erst darum bitten, vorübergehend öfter brauen zu dürfen. Die Menge steht mir zwar zu, denn bislang habe ich meinen Brau gar nicht ausgeschöpft. Doch du weißt, wie streng allerorten auf die Einhaltung der Brauordnung geachtet wird. Das war bei euch zu Hause sicher nicht anders.«
»Wir durften jede Woche brauen und hatten sogar unser eigenes Sudhaus im Hof«, erwiderte Agnes. »Mohr wird Euch gewiss behilflich sein, die Ratsherren zu einer Ausnahme zu bewegen. Immerhin erzählt er überall herum, wie schmackhaft Euer Bier geworden ist.«
»Ja, da hast du recht, Agnes. Wir sollten es versuchen. Den Gang zu Mohr kannst du nachher gleich für mich übernehmen. Theres und Marie haben noch einige Borten zu fertigen. Seit das Bier neue Kundschaft lockt, gibt es auch in der Werkstatt mehr zu tun. Die Leute finden zunehmend auch Gefallen an unseren Bändern. Bald werden wir damit wohl ebenfalls in Bedrängnis kommen. Ach, ist das nicht schön? Zum ersten Mal seit Jahren nutze ich mein Braurecht nahezu vollständig aus und muss mir auch sonst keine Sorgen über meine Einnahmen machen.«
Freudestrahlend sah sie zwischen Agnes und den beiden Mägden hin und her. Sie alle löffelten ihren Gerstenbrei aus den tönernen Schalen. Eine Kanne Bier stand auf dem Tisch, zudem hatte Agatha ein großes Stück würzigen Käse, helles, weiches Brot sowie eine Schale mit süßem Pflaumenmus dazugestellt. Solche Köstlichkeiten hatte es zuvor lediglich an Sonn- und Feiertagen gegeben.
»Wollen wir hoffen, die Begeisterung hält noch eine Weile an.« Marie stopfte sich eine dicke Scheibe Brot sowie einen Brocken Käse in den Mund.
»Zumindest so lange, bis du dich rundherum satt gegessen hast«, merkte Theres lachend an. »Aber so schnell, wie du isst, brauchst du dir wohl keine Sorgen zu machen. Wie schade, dass wir bislang besser mit Garn und Winde umzugehen wussten als mit Hopfen und Malz. Unsere Kunst beim Weben findet leider erst dank Agnes’ Bier ihre volle Beachtung.«
»Vielleicht hättest du dich eher daran halten sollen, was der blonde Brauknecht aus dem Sackheim uns über das Brauen beibringen wollte. Dann
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