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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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gewöhnlich«, fügte er hinzu. »Bei den derzeitigen Wetterverhältnissen ist das gut machbar. Bevor es ungemütlich wird, ist er längst wieder zurück in Königsberg. Die Lager der Rigaer Kaufleute sind noch nicht restlos geleert. Vor Anbruch des Winters wollen sie die letzten Pelze, Wachs, Eisen, Holz, Honig und dergleichen loswerden. Mein Vater wird also einige interessante Abschlüsse tätigen. Letztlich werden alle Zunftgenossen hier am Pregel ihre Vorteile daraus ziehen.«
    »Wenn man Euch so reden hört, scheint tatsächlich alles in bester Ordnung«, stimmte Spelmann zu. »Doch verzeiht: Bei Eurem verehrten Herrn Vater bleibe ich vorsichtig, mein Lieber.« Väterlich tätschelte er ihm die Schulter. »Gehabt Euch wohl.« Damit verbeugte er sich in Edithas Richtung und nickte Caspar kurz zu. Die Hände ebenfalls auf dem Rücken verschränkt, marschierte er weiter, geradewegs auf einen anderen Zunftgenossen zu.
    »Damned bastard!«,
knurrte Editha ihm nach. »Weiß der Teufel, was ihn dazu treibt, jeden Schritt deines Vaters derart argwöhnisch zu verfolgen. Schon hat er nichts Besseres im Sinn, als dem braven Boeckmeier die Neuigkeit zu berichten.«
    »Mach dir keine Sorgen, Mutter, ich weiß längst über den Grund von Spelmanns Missmut Bescheid. Er liegt nun einmal ständig auf der Lauer, weil er Vater den guten Abschluss mit dem Eibenholz neidet. Kaum ein anderer hier in Königsberg hat in diesem Sommer eine ähnliche Menge Holz aus Litauen erhalten wie Vater. Und schon gar nicht zu dem Preis und in der Güte. Außer uns konnte keiner Holz nach England verschiffen. Das wird unsere Vorrangstellung in London festigen. Vater hat ein hervorragendes Gespür bewiesen. Kein Wunder, dass Spelmann ihm gram ist.«
    »Du hältst es also nach wie vor für ein gutes Geschäft? Dabei wäre es beinahe schiefgegangen. Erinnere dich an die Angst deines Vaters, nach den Gefechten in Wehlau alles verloren zu haben. Kaum zwei Wochen sind seither vergangen. Allein Rehbinders Mut haben wir den guten Ausgang zu verdanken. Ganz abgesehen davon, wie viel Ärger und Unmut für uns hier in Königsberg damit einhergehen.«
    Nur zu gut erinnerte sie sich an Spelmanns boshaftes Geflüster bei ihrer letzten Begegnung auf der Holzwiese. Sein scheinheiliges Verhalten vorhin passte dazu. Auch Gernots Freund Perlbach hatte sie vor den Abschlüssen gewarnt. Was würden sie alle erst sagen, wenn sie ahnten, wer in Wehlau hinter alldem steckte? Je länger Editha darüber nachdachte, desto mehr war sie davon überzeugt, dass dahinter nur der lang gefürchtete Rachefeldzug Gunda Rosskamps stecken konnte.
    »Wieso bist du inzwischen von dem guten Ausgang des Ganzen überzeugt, mein lieber Sohn?«, fragte sie. »Warst du im Frühjahr nicht noch ganz entschieden gegen die Geschäfte deines Vaters mit England?«
    »Damals habe ich in der Tat große Bedenken gehegt. Das lag vor allem an den düsteren Nachrichten deines Bruders, meines lieben Oheims. Längst aber hat mich Vaters erfolgreiches Vorgehen eines Besseren belehrt. Endgültig Bilanz ziehen werden wir wohl erst in einigen Wochen. Dann wissen wir, ob die Fracht wohlbehalten in London eingetroffen ist und den erhofften Preis erzielt hat.«
    »
Good grief!
Du redest schon wie ein alter Kaufmann«, stellte Editha fest. Vorsichtig beäugte sie ihren Sohn. Er strahlte über das ganze Gesicht. Eine seltsame Ahnung beschlich sie. »Trägst du dich etwa mit dem Gedanken, Vaters Vorschlag doch noch in die Tat umzusetzen und für einige Lehrjahre an die Themse zu gehen?« Angespannt ballte sie die Hände zu Fäusten, bis die Fingerknochen schmerzten und sich die Nägel tief in die Handmuschel eingruben. Ihr Herz pochte bis zum Hals, ihr wurde schwindlig, zugleich spürte sie einen Krampf im Unterleib, der ihr für einen Moment die Sinne zu rauben drohte.
    »Früher oder später werde ich dich verlassen müssen, liebe Mutter«, erwiderte Caspar und löste ihre Fäuste behutsam, um sie in die Arme zu nehmen und sie liebevoll auf die Wangen zu küssen. »Doch sei gewiss: Ich trage dich stets in meinem Herzen. Nie werde ich vergessen, wo meine Wurzeln liegen und was ich dir, liebste Mutter, zu verdanken habe.«
    »Ach, mein Lieber«, seufzte sie und strich ihm gerührt über die Wange. »Als deine Mutter wünsche ich mir, der Tag des Abschieds läge noch in sehr weiter Ferne.«
    Aufmerksam musterte sie ihn. Das leichte Flackern seiner Augen entging ihr keineswegs. Gernot reagierte ähnlich, wenn sie ihm

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