Gold und Stein
übel. Es hing wohl auch damit zusammen, dass sie versuchte, auf die Tinkturen der Hundskötterin zu verzichten. Ein dumpfes Gefühl im Bauch mahnte sie zur Vorsicht. Sie wollte die in ihr reifende Frucht nicht gefährden.
»Ich weiß, Vater hat in den letzten Wochen oft Schwierigkeiten gehabt, von den Brakern beachtet zu werden.« Caspar rieb sich ebenfalls fröstelnd die Hände. »Mir ist es wohl gelungen, die Herren milder zu stimmen.«
»Well done!«
Voller Bewunderung musterte Editha ihren Sohn. Der Siebzehnjährige machte sich trotz seiner Jugend erstaunlich gut als Vertreter seines Vaters. Seine bernsteinfarbenen Augen leuchteten fröhlich. Das schwarze Barett leicht schief auf dem dunkelblonden Haar, die Enden des Halstuchs schwungvoll zur Seite gebunden und die muskulösen Arme keck in die Hüften gestemmt, strahlte er bis in die letzte Faser geballte Tatkraft aus. Auf dem vom Vater geerbten breiten Gesicht entfaltete sich ein unwiderstehliches Lächeln. Wie gut, ihn so erwachsen zu wissen. Wenn Gott sie beschützte und sie tatsächlich in wenigen Monaten noch einmal ein Kind gebären sollte, konnte sie ihr Augenmerk allein darauf richten. Caspar kam gut allein zurecht.
»Zum Glück ist dein Vater für eine Weile auf Reisen. So wird sich der Unmut über seine Geschäfte mit den Bündischen bald wieder legen.«
Sie hoffte, Caspar ahnte nicht, was sie noch damit verband: den Wunsch, während dieser Zeit herauszufinden, ob sich hinter der Geschäftsfrau Gunda Fröbelin aus Wehlau tatsächlich die Gunda verbarg, die seit Jahren wie ein dunkler Schatten über ihrem Leben dräute.
»Wollen wir hoffen, Vaters Abwesenheit entfacht nicht neues Gerede«, merkte Caspar an. »Schau, da kommt Spelmann. An seiner Miene kann ich ablesen, wie sehr es ihm auf der Zunge brennt, dich nach Vaters plötzlicher Abreise zu fragen. Daraus wird er nachher die seltsamsten Behauptungen zusammenspinnen. Bitte überlass ihn mir, Mutter. Mir fällt schon etwas Passendes ein.«
Verwundert sah Editha dem eilig auf sie zuschreitenden Zunftgenossen entgegen.
»Gott zum Gruße, mein Lieber«, rief Caspar ihm zu, als dieser gerade erst den benachbarten Holzstoß passierte. Erschrocken zuckte der kleinwüchsige, schäbig gekleidete Zunftgenosse zusammen. Stolz streckte Caspar die breite Brust heraus. Er wusste genau, welch gute Figur er in seinen bunt gestreiften Strumpfhosen und dem farblich passenden Rock machte. Entschlossen schob er die lange, schmale Nase in die Luft. Nicht zum ersten Mal fragte sich Editha, von welchem Ahn er die geerbt hatte.
»Liebe Fischartin, lieber Caspar, freut mich sehr, Euch hier auf der Holzwiese zu sehen. Viel zu selten treffen wir uns. Erlaubt mir die Frage: Wo steckt Euer verehrter Herr Gemahl und Vater? Ist er krank? Muss man sich Sorgen um ihn machen?«
Lauernd sah Spelmann sie an. Natürlich wusste er über Gernots Abreise bestens Bescheid.
»Ich kann Euch beruhigen. Meinem Vater geht es gut«, begann Caspar, um sogleich ungeduldig von Spelmann unterbrochen zu werden: »So stimmt es also, dass er überstürzt nach Riga aufgebrochen ist? Um diese Zeit noch? Anfang September ist dort alles gelaufen, die Ware verkauft, die Lager leer. Was hat ihn bewogen, die beschwerliche Reise trotzdem anzutreten?«
Obwohl er einen guten Kopf kleiner war als Caspar, beugte er sich vor und wisperte verschwörerisch: »Hat er schon wieder rätselhafte Gewährsleute für vermeintlich gute Geschäfte aufgetan? Man hört so einiges über seine Kontakte ins aufmüpfige Wehlau. Oben in Livland geschieht seit vielen Jahren auch nicht alles im besten Einvernehmen mit dem Hochmeister. Was ist nur los? Euer verehrter Herr Gemahl und Vater hat in den letzten Monaten ein eigentümliches Gespür, durch seltsames Verhalten innerhalb der hiesigen Kaufmannschaft Aufsehen zu erregen.«
»Mangy dog!«,
zischte Editha und hob rasch den Zipfel ihres weiten Ärmels, um die Lippen zu bedecken. Auch wenn sie wusste, dass Spelmann ihrer Muttersprache nicht mächtig war, hieß es, vorsichtig zu bleiben. Bei einem durchtriebenen Lump wie ihm konnte man nie genug auf der Hut sein.
»Ich wüsste nicht, was um diese Jahreszeit so verwunderlich an einer Kaufmannsreise nach Riga sein sollte«, erwiderte Caspar freundlich. Sein Zwinkern verriet, dass er die Schimpfworte seiner Mutter sehr wohl verstanden hatte. Gemächlich verschränkte er die Hände auf dem Rücken und begann, auf den Füßen zu wippen.
»Zwei Wochen dauert die Reise für
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