Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
zwischen hell und dunkel.
    »Das ist Agnes …«, begann Caspar, um sogleich verlegen innezuhalten. Erwartungsvoll sah er zu ihr. Als sie jedoch nicht gleich reagierte, fügte er ungelenk hinzu: »Ein junges Fräulein aus, aus …«
    »Dem Löbenicht«, ergänzte Agnes. Kaum ausgesprochen, erschrak sie, wie zweideutig das klang: Als wäre sie eine Hübscherin, deren Name man nicht vollständig kennt!
    »Ich heiße Fröbel, Agnes Fröbel«, fügte sie hastig hinzu. »Bis zum nächsten Frühjahr bin ich bei meiner Muhme, der Agatha Streicher aus der Krummen Grube, zu Gast.«
    »Dann seid Ihr die Bierbrauerin, von der Meister Jörgen im Goldenen Hasen unablässig schwärmt!« Bei diesen Worten überschlug sich die Stimme des Fremden. »Zu Recht, liebes Fräulein, völlig zu Recht. Euer Gerstensaft ist eine Freude für unsere durstigen Kehlen. Denn die sind leider immer viel zu trocken, nicht wahr, mein Lieber?« Er klopfte Caspar Zustimmung heischend auf die Schulter.
    »Verzeiht, ich muss weiter. Meine Muhme wartet schon«, beschloss Agnes, sich zu verabschieden. Die Gelegenheit für ein trauliches Gespräch mit Caspar war vertan.
    »Wartet, ich begleite Euch noch bis zum Tor«, erwachte er aus seiner Starre und ergriff ihren Arm. »Bis später, Lambert!«, rief er über die Schulter hinweg seinem Gefährten zu.
    »Bleib anständig, Fischart!«, erwiderte der und schwenkte überschwenglich sein Barett über dem rotblonden Lockenschopf.
    »Fischart?«, wiederholte Agnes leise und stutzte. Irgendwoher kannte sie den Namen, wusste ihn allerdings nicht einzuordnen.
    »Habe ich mich Euch nicht ordentlich vorgestellt?« Caspar strahlte sie an. »Verzeiht vielmals, liebe Agnes. Ihr seht mich zutiefst zerknirscht. Meinen Familiennamen wollte ich Euch ganz gewiss nicht vorenthalten.«
    »Schon gut«, versicherte Agnes und grübelte weiter. »Wir sind einfach beide etwas säumig. Dort vorn ist leider schon das Tor. Es ist spät. Ich muss mich sputen, meine Muhme …«
    »Geht nicht so von mir weg, liebe Agnes!« Unerwartet fest packte er sie am Arm, zwang sie, stehen zu bleiben und sich zu ihm umzudrehen. Sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut, roch die Minze aus seinem Mund.
    »Wollen wir uns morgen wiedersehen? Um dieselbe Zeit an der Holzbrücke?«, fragte er.
    »Gern.« Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Dann bis morgen. Lebt wohl!« Sie raffte den Rock und rannte los. Erst kurz vor dem Altstädter Tor verlangsamte sie ihre Schritte wieder. Wirr flogen ihr die Gedanken durch den Kopf. All die Tage hatte sie sich nach einer neuerlichen Begegnung mit Caspar gesehnt. Nun war sie zutiefst verunsichert. Wie ein Schatten hing sein Name in der Luft.
Fischart
klang ihr allzu vertraut. Wenn sie nur wüsste, woher. Zugleich erfüllte er sie mit Unbehagen. Was aber sagte schon ein Name?

15
    A uf der Altstädter Holzwiese herrschte reges Treiben. Erst seit wenigen Tagen trafen wieder regelmäßig Lieferungen aus Litauen ein. Viel zu lange war der Pregel flussaufwärts durch die Belagerung Wehlaus blockiert gewesen. Weit oberhalb der Stadt an der Allemündung hatten sich unzählige Schiffe und Lastkähne gestaut. Dafür landeten nun fortwährend neue Schiffe am Pregelufer an. Der sinkende Wasserstand drängte zur Eile. Längst warteten zahllose Stapel auf der Wiese, die Fuhrwerke behinderten sich gegenseitig im Weg. Laute Rufe und unziemliche Flüche der Ablader klangen über den Platz, mischten sich mit dem steten Klopfen der Braker, die unbeirrt von dem Trubel das Holz in aller Ruhe prüften. Die Kaufleute mühten sich, ihren Zorn nicht zu offen zu zeigen. Ihrer Ansicht nach brauchten die Braker viel zu lang, um die ersehnten Zeichen auf die Hölzer zu drücken und die Ware für den Weiterverkauf freizugeben.
    »Gut, dass wir heute nicht so lange hier ausharren mussten«, stellte Editha fest und sah dem Fuhrwerk nach, das hochbeladen mit Eibenholz auf die Holzbrücke einschwenkte. Noch vor Caspar und ihr würde es das Haus erreichen. Fröstelnd rieb sie sich über die von weit fallendem Stoff bedeckten Arme. Sie trug zwar einen wärmenden Surkot aus Wolle, dennoch fuhr ihr der Ostwind in die Glieder. Seit dem Morgen blies er unerwartet rauh in die Stadt. Die gestern noch so wohltuend warme Sonne hielt sich an diesem Mittag hinter grauen Wolkengebirgen verborgen. Der jähe Wetterwechsel machte Editha zu schaffen. Sie war keine zwanzig mehr und spürte, wie schwer sie an der neuerlichen Schwangerschaft trug. Der Kopf schmerzte, ihr war

Weitere Kostenlose Bücher