Gold und Stein
jüngsten Ereignisse ist es Eurem Gemahl wohl trefflich gelungen, seine Schäfchen rechtzeitig ins Trockene zu bringen. Die Schiffe mit seinem Eibenholz für England waren wohl die letzten, die pregelabwärts passieren konnten, bevor Reuß von Plauen dort oben alles blockiert hat. Zuvor, so habe ich verlauten hören, haben allerdings schon die Wehlauer Bürger jegliche Schiffsladung mit Holz und anderen Baumaterialien in Beschlag genommen, um die Verteidigungswälle rund um die Stadt aufzubauen. Nur die von Rehbinder im Auftrag Eures Gatten eingefädelte Ladung ist nicht geplündert worden. Dabei sollen ganz besondere Beziehungen zu den Bündischen eine Rolle gespielt haben. Von einem rätselhaften Gewährsmann direkt in der Wehlauer Kaufmannschaft ist die Rede.«
Abermals hielt sie inne. Editha meinte, ihr Blick würde sich wie ein Schwert in sie hineinbohren. Kaum konnte sie die Hebamme in ihrer Nähe ertragen. Mit einem genüsslichen Schnaufen fuhr die Hundskötterin fort: »Niemand außer Rehbinder und Eurem Gemahl kennt den Namen dieses Unbekannten. Mir scheint, liebe Fischartin, er ist da in eine vertrackte Geschichte gestolpert. Es ist ihm wohl allein darum zu tun, seine ehrbaren Zunftgenossen beim Handel mit Eurer Heimatstadt London zu übervorteilen. Oder wie ist das sonst zu erklären?« Sie rückte ein Stück ab und sah Editha durchdringend an.
Die räudige Metze wusste über alles Bescheid. Gewiss steckte sie mit Spelmann und den anderen neidzerfressenen Zunftgenossen unter einer Decke. Letztlich arbeitete das alles Gundas Absichten zu. Dass Gunda Rosskamp als Gunda Fröbel tatsächlich hinter der Geschichte steckte, daran konnte kein Zweifel mehr bestehen. In was hatte Gernot sie nun schon wieder hineingeritten? All das jahrelange Hinpilgern zur Laak und das brave Schlucken der grässlichen, viel zu teuer bezahlten Tinkturen nützte gar nichts. Bei der erstbesten Gelegenheit wetzte sich die Hundskötterin gierig das Maul, um Gernot durch den Dreck zu ziehen. Jäh kam Editha ein furchtbarer Gedanke: Die Hundskötterin könnte sich am Ende auf Gundas Seite schlagen und mit ihr gemeinsam Gernot den letzten Stoß versetzen.
Silly shrew!,
schimpfte sie. Nicht zum ersten Mal reute es sie, der meineidigen Klepperin nicht schon längst den Garaus gemacht zu haben. Wenn sie doch nur wüsste, wie sie der hinterhältigen Hundskötterin das lose Mundwerk stopfen konnte! Jetzt, da sie schwanger war, brauchte sie ihre nutzlosen Wundermittel ohnehin nicht mehr. Im Gegenteil: Vorsicht war geboten! Die boshafte Zungenkläfferin war imstande, am Ende gar die unschuldige Frucht ihres Leibes zu verderben. Gernot hatte recht: Nie und nimmer durfte sie ihr länger vertrauen. Schnellstmöglich sollte sie eine andere Wehmutter aufsuchen.
»Kein Wunder«, schwatzte die Hundskötterin unverdrossen weiter, »dass Euer lieber Herr Gemahl vor zwei oder drei Wochen nach Riga gereist ist. Nach der Schmach bei Wehlau werden die Kreuzherren jeden, den auch nur der zarteste Geruch umweht, mit den Bündischen in Verbindung zu stehen, dafür zur Rechenschaft ziehen. Heinrich Reuß von Plauen soll nicht nur zornig, sondern zutiefst ergrimmt ob der verräterischen Haltung so manchen, allein auf seinen persönlichen Vorteil bedachten Kaufmanns sein. Wollen wir hoffen«, von neuem senkte sie die Stimme und zog Editha am Arm näher zu sich heran, »Euer Gemahl ist klug genug, den ganzen Winter über in Livland auszuharren. Ich bin mir sicher, Reuß von Plauens Zorn wird im Verlauf der nächsten Monate verrauchen, insbesondere, wenn er im nächsten Frühjahr erneut gegen die Bündischen ziehen kann. Dabei kommen ihm die gut gefüllten Geldbeutel der hiesigen Kaufleute sehr zupass. Oh!«, beendete sie ihre Ausführungen mit einem schrillen Ausruf und streckte den rechten Zeigefinger weit nach vorn auf eine kleine Ansammlung Menschen an der Ecke zum Altstädter Markt. »Täusche ich mich, oder steht dort vorn Euer lieber Sohn?«
Als sie Edithas Arm freigab, versetzte sie ihr wie zufällig einen Stoß in die Seite. Editha torkelte, fing sich wieder und richtete den Blick in die vorgegebene Richtung.
Zunächst konnte sie nicht viel erkennen. Ihre Augen waren tatsächlich schlechter geworden. Das erschreckte sie, war ihre Mutter mit etwas über vierzig doch bereits vollkommen erblindet. Aber man muss nicht alles von den Eltern erben, tröstete sie sich und rief sich Caspars seltsame Nasenform in Erinnerung. Zugleich kniff sie die Augen zusammen
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