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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Linker Hand erstreckte sich der Fischmarkt, wo selbst am Nachmittag noch reger Betrieb herrschte. Um die Fässer der Fischweiber drängten sich die Mägde und feilschten.
    »Welch Überraschung, liebe Fischartin!«, hörte sie jemanden dicht hinter sich rufen. Zugleich spürte sie, wie sie energisch am Arm festgehalten wurde.
    »For God’s sake!«,
entfuhr es ihr ärgerlich. »Was fällt Euch ein?« Schwungvoll fuhr sie herum und erspähte direkt hinter sich das lachende Gesicht Hermine Hundskötters.
    »Ihr?«, fragte sie und bemühte sich um einen milderen Ton. »Verzeiht, meine Liebe, aber ich dachte schon, Gesindel wollte mich packen.«
    »Wie schön, Euch wieder einmal zu fassen zu kriegen, Fischartin! In letzter Zeit kann ich mich kaum des Eindrucks erwehren, Ihr flieht vor mir. Wenn Ihr Euer Mittel bei mir abholt, habt Ihr kaum mehr Zeit für einen Schwatz. Auch bei anderen Gelegenheiten weicht Ihr mir aus. Nicht einmal sonntags nach der Messe wartet Ihr auf mich. Denkt nicht, meine Liebe«, leicht beugte sie sich vor und schenkte Editha ein freches Grinsen, das ihre blendend weißen Zähne freilegte, »Ihr könntet mir entkommen. Wir sind doch Freundinnen auf Lebenszeit.«
    Sie lehnte sich zurück und verschränkte die fleischigen Arme vor dem drallen Busen. Über ihr rundes Vollmondgesicht breitete sich ein zufriedenes Grinsen aus. Sorgfältig hatte sie den blonden Haarflaum an Stirn und Schläfen gezupft und die langen Strähnen unter die helle Flügelhaube gesteckt. Die Augenbrauen waren nur mehr schmale, mit schwarzer Kohle betonte Bogen. Zum Färben der Wangen hatte sie etwas viel Brombeersaft und Öl verwendet, ebenso schienen die Lippen zu stark geschminkt. Trotzdem wirkte sie nicht weiblich. Die langjährige Arbeit als Wehmutter hatte ihr eine kräftige Statur beschert und ihre Bewegungen grob werden lassen. Ihre stattliche Größe sorgte dafür, dass sie es leicht mit einem Mannsbild aufnehmen konnte.
    »Aber, aber, meine Liebe«, säuselte Editha und rang sich zu einem süßen Lächeln durch. »Wie könnt Ihr nur Derartiges vermuten? Ich und Euch aus dem Weg gehen? Niemals! Allenfalls kann es vorkommen, dass ich Euch einmal nicht rechtzeitig entdecke. Meine Augen sind leider nicht mehr die besten. Euch muss ich ja nicht erzählen, wie alt ich bin.«
    Versöhnung heischend, legte sie der Hundskötterin die Hand auf den Arm. Insgeheim überlegte sie fieberhaft, wann ihr der unverzeihliche Fehler unterlaufen sein mochte, die Hebamme übersehen zu haben oder ihr gar aus dem Weg gegangen zu sein. Ihre letzten Besuche draußen an der Laak, das wusste sie selbst, waren in der Tat reichlich kurz ausgefallen. Gernot missfiel es immer mehr, dass sie Woche für Woche eine gewaltige Summe für überflüssige Zauberkuren zur Hundskötterin trug, gerade jetzt, da sie noch einmal gesegneten Leibes war. Am liebsten wäre es ihm, wenn sie für die neuerliche Niederkunft die Dienste einer anderen Wehmutter in Anspruch nehmen würde. Noch aber war Editha unschlüssig, ob sie das tatsächlich wagen sollte. »Verzeiht, wenn ich in den letzten Wochen vielleicht gelegentlich in Eile gewesen bin. Ihr habt gewiss gehört, dass mein lieber Gemahl noch einmal zu einer wichtigen Handelsreise aufgebrochen …«
    »Oh, allerdings ist mir das zu Ohren gekommen.« Die Hundskötterin verzog die fleischigen Lippen abermals zu einem Grinsen. »Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!«
    »Wieso?«
    »Haltet mich nicht für einfältig, meine Liebe.« Sie legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie wie ein törichtes Kind an ihre Brust. »Sowohl das Ziel der Reise Eures Gemahls als auch der Zeitpunkt Ende August sind sehr ungewöhnlich.«
    »Wieso?« Editha befreite sich umständlich aus der Umarmung.
    »Nun ja.« Die Hundskötterin ließ nicht locker. Entschlossen hakte sie sich bei ihr unter, um dicht an dicht mit ihr die Gasse zum Altstädter Markt hinaufzugehen. »Soweit ich mich entsinne, ist Euer Gemahl seit Jahren nicht mehr nach Livland gereist. Hat er sich bei seinen Handelsbeziehungen in den letzten Jahren nicht insbesondere auf Danzig und Lübeck, neuerdings sogar wieder mehr auf Eure Heimatstadt London versteift? Oh, mir war sogar, ich hätte etwas von ganz ausgezeichneten Verbindungen nach Wehlau munkeln hören.«
    Sie legte eine bedeutungsvolle Pause ein. Angestrengt versuchte Editha, das mit einem unbeteiligten Gesichtsausdruck zu übergehen. Das schien die Hundskötterin erst recht anzuspornen. »Angesichts der

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