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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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dem harten Pflaster aufschlug, war das zufriedene Grinsen im Gesicht der Hundskötterin.

17
    D en Pflichten in der Bortenmacherwerkstatt und beim Brauen nachzukommen, fiel Agnes schwerer denn je. Kaum schlug sie die Augen auf, dachte sie bereits an Caspar. Einem immerwährenden Sonnenstrahl gleich flutete die Erinnerung in ihr Herz. Jeglicher Kummer über Laurenz’ Fernbleiben und die Sorge um das Wohlergehen Gundas und Lores traten dahinter zurück, bis sie sich ganz in dunstigen Nebelschwaden auflösten. Selbst die Grübelei über den Namen Fischart ließ sie rasch wieder sein. Was spielte es für eine Rolle, ob und wo sie ihn schon einmal gehört hatte? Solange sie Caspar leibhaftig vor sich hatte, war alles gut.
    Bis zum Ende der Woche gelang es ihr nur ein weiteres Mal, ihn zu treffen. An der Seite des Brauknechts Nedas hieß die Muhme sie Bier in der Altstadt und im Kneiphof ausliefern. Als Nedas auf dem Rückweg kurz vor dem Altstädter Markt bei einem Gefährten stehen blieb und schwatzte, konnte sie sich unbemerkt davonstehlen. Wie erhofft, traf sie Caspar nicht weit entfernt davon und konnte in der Abgeschiedenheit eines Gassenwinkels einige Worte mit ihm wechseln. Von der glücklichen Erinnerung zehrte sie die nächsten Tage.
    »He, Agnes, hörst du überhaupt zu?« Ein kräftiger Rippenstoß von Marie ließ sie zusammenzucken.
    »Was sage ich dir immer, meine Liebe?«, merkte Theres an. »Wenn wir nicht aufpassen, fliegt uns unsere Kleine alsbald auf goldenen Flügeln davon. Hoch oben in den Wolken scheint sie ihr Glück zu erspähen. Siehst du nicht, wie sie immerzu mit den Vögeln redet und ihnen ganz verzückt beim Davonfliegen nachschaut?«
    Lachend schüttelte Theres die schwarzen Locken in den Nacken. Ihre glockenhelle Stimme klang noch munterer als sonst. Die runde Marie warf ihr einen bewundernden Blick zu und zog die Lippen über ihre vorstehenden großen Zähne. Auch in ihren grauen Augen blitzte der Schalk auf. Sie standen auf dem schmalen Vorplatz von Sankt Barbara in der Löbenichter Obergasse. Das goldene Septemberlicht schenkte den bescheidenen, eingeschossigen Handwerkerhäusern ein festliches Aussehen. Gerade war die Sonntagsmesse zu Ende gegangen. An der Kirchenpforte verabschiedeten sich die Einwohner des Löbenichts voneinander und traten den Heimweg an. Einige Männer stolzierten in bunten Strumpfhosen unter nicht minder bunten, engen Röcken umher. Bei jedem Schritt nach vorn präsentierten sie wie zufällig die auffällige Länge der Schnabelschuhe. Andere waren in lange Hosen und schlichte, saubere Kittel gekleidet. Manche Frauen hatten es zu Hörnerhauben auf den hoch erhobenen Köpfen gebracht, andere die weißen Flügelhauben so kräftig gestärkt, dass sie ihnen wahrlich Flügel zu verleihen schienen. Die unverheirateten Mädchen dagegen zeigten kühn die abenteuerlichsten Flechtfrisuren auf den Köpfen, was die Burschen zu neckenden Bemerkungen anspornte. Über der gehobenen Stimmung geriet sogar der herbe Malzgeruch in Vergessenheit, der selbst am Sonntag zum Löbenicht gehörte wie die Ordensburg zur Altstadt und der Dom zum Kneiphof.
    »Wo ist meine Muhme?«, fragte Agnes. Statt einer Antwort erntete sie einvernehmliches Gekicher der beiden Mägde.
    »Ja, du hast recht.« Anders als sonst schien Marie nicht dazu aufgelegt, Theres’ Spott Einhalt zu gebieten. »Bald wachsen Agnes Flügel, und sie schwebt auf Wolken davon, während wir beide ihr von hier unten neidisch nachschauen.«
    »Was redet ihr nur für törichtes Zeug?« Verständnislos schüttelte Agnes den Kopf und reckte sich auf die Zehenspitzen, um selbst nach der Muhme zu suchen.
    »Gib dir keine Mühe.« Marie zupfte sie am Arm. »Die Meisterin ist vorhin mit der Bierbeschauerin zum Krönchentor gegangen. Dort wohnt die alte Schwäherin von der Mohr. Seit Tagen wartet die auf den Tod. Ihr letzter Wunsch ist es, ein blutrotes Band mit Gold bestickt im Haar zu tragen. So will sie vor Gott, den Allmächtigen, treten. Deine Muhme will sich jetzt genaue Anweisungen für das Muster holen, damit es auch wirklich das Richtige für den Jüngsten Tag ist.«
    »Wir sollen derweil nach Hause gehen, um den Suppenkessel tiefer zu hängen, die Bohnen zu putzen und die Möhren zu schnippeln«, ergänzte Theres mit einem seltsamen Augenaufschlag.
    »Das schaffen wir beide allerdings gut allein.« Aus unerfindlichen Gründen versuchte sich Marie in einem rätselhaften Zwinkern, das Agnes nicht verstand.
    »Zu viele Köchinnen

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