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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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»gibt es noch andere Städte, die ich aufsuchen will. Danzig und Lübeck sind ebenfalls wichtige Stationen, zu denen mein Vater gute Beziehungen unterhält. Einige Jahre in der Fremde zu verbringen ist für einen Kaufmannssohn überaus ratsam.«
    Abermals hielt er inne, wartete auf ihr begeistertes Nicken, um sich weiter in die Brust zu werfen: »Wie gut es war, dass ich im Frühjahr hiergeblieben bin, zeigt sich an mehreren Ereignissen. Die wochenlangen Belagerungen haben die Lieferungen aus Litauen gehörig ins Stocken gebracht. Seither muss man stets selbst beim Anlanden der Ware zugegen sein und die Braker im Auge behalten. Sonst verzögern sie die Verschiffung noch mehr. Deshalb gehe ich jeden Tag zur Holzwiese und schaue nach dem Rechten.«
    »Sehr vernünftig«, stimmte Agnes zu.
    »Mein Vater hat vor kurzem noch einmal unerwartet nach Riga reisen müssen, was erheblichen Aufruhr im Kontor entfacht hat. Ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten, die sich durch den allmählichen Zerfall des Preußischen Städtebundes ergeben. Ohne mich stünde meine Mutter mit den daraus erwachsenden Schwierigkeiten ganz allein da.«
    »Als Gemahlin und Tochter eines Kaufmanns kennt sie das alles doch von klein auf und weiß im Zweifelsfall selbst, was zu tun ist.« Agnes fuhr mit den Fingern am Rand ihres Halstuchs entlang. Kurz streifte sie dabei über die trockene Haut des Feuermals. Ob er mit dem Halstuch einen ähnlichen Makel verbarg wie sie?
    »Du kennst meine Mutter nicht.« Er grinste.
    »Was ist mit ihr?«
    »Nichts Besonderes. Manchmal allerdings ist sie etwas eigen. Dennoch ist sie eine wundervolle Frau. Sonst hätte sich mein Vater wohl kaum in sie verliebt.«
    »Wahrscheinlich trauert sie ihrer Heimat nach. Sie musste sie früh verlassen und ganz allein nach Königsberg gehen, ohne zu wissen, ob und wann sie die Ihrigen je wiedersieht.«
    »Die Liebe zu meinem Vater hat sie dazu verleitet. Er hat seine Lehrzeit im Haus ihrer Familie an der Themse verbracht. So haben sie sich einst kennengelernt.«
    »Dann sollte ich mir vielleicht wünschen, du würdest im nächsten Frühjahr nicht in die Fremde gehen.«
    Verblüfft sah er sie an. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dann lachte er. »Es gibt auch Kaufmannssöhne, die bereits verlobt in die Fremde ziehen.«
    »Was?«
    Nun war es an ihr, ihn verständnislos anzustarren. Das gefiel ihm. Er wuchs förmlich über sich hinaus. »Was spricht dagegen? Ich bin eine gute Partie. Deine Eltern werden wohl kaum etwas gegen mich einzuwenden haben.«
    »Meine Mutter«, verbesserte sie ihn. »Mein Vater ist im letzten Jahr gestorben.«
    »Oh, das tut mir leid. Das hast du mir noch gar nicht erzählt. Ohnehin hast du mir bislang viel zu wenig von dir erzählt.«
    »Da gibt es nicht viel zu erzählen.«
    »Außer, dass du die entzückendste Tochter bist, die eine Mutter haben kann, und dass du das beste Bier der Welt zu brauen verstehst.« Übermütig fasste er sie an den Händen und wollte mit ihr herumtanzen.
    »Nicht!«, versuchte sie, seinem Übermut Einhalt zu gebieten.
    »Ich höre erst auf, wenn du mir versprichst, meine Frau zu werden.«
    »Nein!« Sie erschraken beide, wie laut sie das rief. »Tut mir leid, ich meine, also ich denke, es ist besser …«
    »Schon gut«, lenkte er ein und senkte den Kopf. »Du hast recht. Ich bin wohl etwas zu voreilig gewesen. Schließlich gehört es sich nicht, einem so anmutigen Fräulein wie dir mitten auf der Straße einen Antrag zu machen. Das ist einfach ungeschickt. Aber ich habe dir bereits zu Anfang gesagt, wie wenig Übung ich im Umgang mit jungen Damen habe.«
    Caspars Anblick rührte sie. Wie auf ein geheimes Zeichen fielen sie einander in die Arme und umschlangen sich. Zum ersten Mal dachte sie dabei nicht an Laurenz.

18
    Z u Wochenbeginn standen abermals zwei Brautage außer der Reihe an, die es Agnes unmöglich machten, das Haus zu verlassen. Ihre Hoffnung, am darauffolgenden Tag für eine Weile aus der Krummen Grube zu entrinnen und Caspar bei der Altstädter Holzbrücke zu treffen, schien sich ebenso zu zerschlagen. Gleich nach dem morgendlichen Imbiss sollte sie Theres und Marie in der Werkstatt mit einigen Hilfsdiensten zur Hand gehen. Vor einiger Zeit noch hätte sie sich darüber gefreut, nun aber behagte es ihr nicht. Ungeschickter denn je hantierte sie beim Aufwickeln der Fäden mit Winde und Spule.
    »Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken, Kleines?«, tadelte Marie sie. »Geht es dir nicht gut? Deine

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