Gold und Stein
Editha Schwindel. Wieder durchzuckte ein Krampf ihren Leib. Sie musste sich vornüberbeugen und nach Atem ringen.
»Setzt Euch!«, befahl die Hundskötterin und schob ihr mit den Füßen den Schemel hin. Erleichtert sank Editha darauf nieder.
»Glaubt mir, meine Liebe: Wenn Ihr noch eine Tochter haben und Euren Sohn behalten wollt, bleibt Euch nichts anderes, als diesen Weg einzuschlagen. Es wird sich eine Gelegenheit finden, Caspar rechtzeitig Einhalt zu gebieten. Denkt an Euren Traum, Gernot endlich eine gesunde Tochter zu schenken.« Sie deutete mit dem fleischigen Kinn auf Edithas Unterleib. »Dafür müsst Ihr umsichtig handeln. Natürlich steht es Euch frei, dabei meine Hilfe zu wünschen oder nicht.«
Editha erschrak. »Wie könnt Ihr glauben, ich wollte ohne Euch …«
»Selbstverständlich stehe ich Euch auch dieses Mal gern bei. Ich tue doch alles, was Ihr Euch wünscht«, beruhigte die Hundskötterin sie und tätschelte ihr die Schulter.
»Ich danke Euch«, murmelte Editha erschöpft.
21
D ie Behauptung der Fischartin, Agatha habe sie bei der blauen Borte um eine Handvoll Goldfäden betrogen, sorgte in der Werkstatt an der Krummen Grube noch Tage später für lebhaftes Gelächter.
»Wäre auch ein Wunder, die englische Hexe hätte die Bänder einmal in hohen Tönen gelobt«, bemerkte Theres spitz, um von Marie ergänzt zu werden: »Ebenso wäre es ein Wunder, sie hätte einmal den vereinbarten Preis in voller Höhe gezahlt. Eines Tages wird sie noch an ihrem Geld ersticken.«
»So wie der arme Vogel, der in ihrem bitteren Atem elend zugrunde gegangen ist«, pflichtete Theres bei. Als sie Agnes’ fragenden Blickes gewahr wurde, fügte sie hinzu: »Davon hat mir eine der Mägde erzählt, die der alten Anna gelegentlich zur Hand gehen. Ein sündhaft teurer Vogel muss es gewesen sein, den der gutmütige Fischart seiner Frau im Frühjahr aus Venedig hat kommen lassen. Wie alles Liebliche aber hat das arme Tier nicht lange bei ihr überlebt.«
»Wie grausam! Hat die Fischartin die Federn des armen Vögelchens noch verkauft?«, wollte Marie wissen. »Vorstellen könnte ich es mir. Sie schläft doch erst gut, wenn sie abends die Türme ihrer angehäuften Goldstücke eigenhändig nachgezählt hat.«
»Dabei schleppt sie jeden Donnerstag einen gehörigen Batzen zur Hundskötterin in die alte Stadtschmiede auf dem Steindamm. Weiß der Teufel, was sie mit der gerissenen Hebamme zu tun hat.« Missbilligend kniff Theres die Lippen zusammen und versuchte, einen Faden in ein Nadelöhr zu fädeln.
»Ausgerechnet zur Hundskötterin rennt sie?« Marie staunte. »Was will sie denn bei der? Es heißt doch, die geldgierige Bübin rühre aus Hühnerdreck noch eine Paste, die sie als Arznei anpreist. Für Eheleute in fortgeschrittenem Alter hält sie gar ganz besondere Tinkturen bereit. Aber das«, sie stupste Theres an und warf einen vielsagenden Blick auf Agnes, »sollten unschuldige Ohren besser nicht hören.«
»Mir scheint, der Umgang mit Nedas hat dich zu neuem Leben erweckt«, stellte Agatha lächelnd fest. Marie errötete. Ihre Meisterin quittierte das mit einem vergnügten Zwinkern. »Lasst die Fischartin tun, was sie tun zu müssen meint. Und was die Hundskötterin anbetrifft: Die hat ihr Handwerk einst bei meiner lieben Schwester Gerda erlernt. Seid also bitte etwas vorsichtiger, was ihr von der behauptet. So schlecht wird sie nicht sein. Über das Geld für die Borten braucht ihr euch keine Gedanken zu machen. Das, was die Fischartin uns unter einem Vorwand abzieht, schlage ich ihr von vornherein drauf. So zahlt sie immer, was die Borten wirklich wert sind.«
»Recht so, Meisterin!« Die beiden Mägde nickten einträchtig und griffen wieder zu ihren Spulen und Fäden.
Mit einem Mal fühlte sich Agnes aus dem Kreis der drei Frauen, die seit Jahr und Tag ihr Los miteinander teilten, ausgeschlossen. Leise schlich sie aus der Werkstatt. In der Diele machte sie sich daran, das Feuer unter der Sudpfanne zu entfachen. Die Aussicht auf einen langen Brautag erschien ihr erstmals wie eine kaum zu stemmende Last. Das Holz wollte nicht so recht brennen. Lustlos stocherte sie in dem Reisig, schürte die Glut mit dem Haken zu einem Haufen. Das laute Pochen an der Tür unterbrach sie. Langsam richtete sie sich auf, strich die Hände an der Schürze sauber und ging zur Tür, um zu öffnen. »Caspar, du?«
Er lächelte verlegen. Das jagte ihr einen wohligen Schauer über den Rücken. Fahrig spielte sie mit den
Weitere Kostenlose Bücher