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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Drohend schwang Struth die Peitsche und jagte ihn fort. Wenig später brachte er den Wagen vor einem einstöckigen Gasthaus zum Stehen. Das Schild an der Tür zeigte einen goldenen Fisch, es fehlte jedoch das Zeichen für das Braurecht, wie Agnes bedauernd feststellte.
    »Da wären wir also«, verkündete Struth. Rasch sprangen erst Julia, dann Agnes und schließlich, schwer schnaufend, der Getreidehändler selbst vom Wagen. »Geht nur schon rein, meine Lieben, die Wirtin soll euch gleich eine warme Suppe geben.« Er winkte sie zum Haus und schickte sich an, Pferd und Wagen zum benachbarten Stall zu bringen.
    Julia stieß die Tür zur Gaststube auf. Warme Luft und der verführerische Geruch nach Gesottenem wehten ihnen entgegen. Eng kauerten die Gäste im rußigen Dunst der Talglampen und im schwachen Schein des Herdfeuers auf den Bänken beieinander. Ihre Stimmen dröhnten dumpf durch den niedrigen Raum, hin und wieder lachte einer, ein anderer schimpfte. Laut knallten beinerne Würfel auf die Tische. Die feuchte Kleidung tränkte die warme Luft mit Dunst. Agnes beobachtete, wie Julia mit der Wirtin bereits über den Imbiss und das Nachtlager verhandelte. Als sich Julia wieder umdrehte und den Blick auf die Frau freigab, entdeckte Agnes verwundert, wie jung die Wirtin noch war. Von der ausladenden, kugelrunden Gestalt, wie Julia die typischen Elbinger beschrieben hatte, fehlte bei ihr jede Spur. Gertenschlank überragte sie selbst einige der männlichen Gäste, die nahe beim Herdfeuer standen. Nachdem sie zwei Mägde angewiesen hatte, was zu tun sei, brachte sie Agnes und Julia zu Plätzen unweit der Tür. Kurz darauf stellte eine blonde Magd dampfende Suppenschalen auf den Tisch, eine dunkelhaarige Magd folgte mit einer Kanne würzigen Bieres.
    »Lasst es Euch schmecken«, verkündete Struth. Unerwartet tauchte er zu Agnes’ Linken auf und schob sich zu ihr auf die Bank. Deutlich roch sie an ihm das nasse Stroh und den Mist aus dem Pferdestall. »Das ist jetzt leider schon der letzte Abend, den wir miteinander verbringen, liebe Agnes. Beim ersten Hahnenschrei werden Julia und ich morgen nach Danzig aufbrechen. Dringende Geschäfte erwarten mich zu Hause. Unsere Wege trennen sich also schon hier in Elbing und nicht erst beim Fährmann am Ufer des Nogats. In seinem Krug findet sich übrigens nicht die beste Gesellschaft. Deshalb möchte ich Euch dort keinesfalls allein zurücklassen. Hier im Goldenen Aal seid Ihr besser aufgehoben. Noch heute Abend höre ich mich um, wer Euch das letzte Stück Wegs nach Marienburg mitnehmen kann. Einen Tag wird die Reise von hier noch dauern. Fügt sich alles wie erhofft, werdet Ihr morgen Abend schon Eurem lieben Vetter gegenüberstehen.«
    »Gebt Euch keine Mühe«, mischte sich die Wirtin ungefragt in das Gespräch ein. Auf leisen Sohlen hatte sie sich zu ihnen geschlichen. Erstaunt hob Agnes den Kopf. Da entdeckte sie, dass die Frau feuerrote Haare unter der weißen Haube zu verbergen suchte. Noch ehe sie sich wundern konnte, warum sie die nicht mit Walnussschalen und Granatapfelpulver schwarz färbte, traf sie ein seltsamer Blick aus katzengrünen Augen. Ihr wurde unbehaglich. Sie fasste sich an das Halstuch. Plötzlich spürte sie ein heißes Brennen im Nacken. Nie zuvor hatte sie Derartiges erlebt. Vorsichtig tasteten ihre Finger an das Feuermal.
    »Morgen bricht keiner meiner Gäste nach Marienburg auf«, erklärte die Wirtin bestimmt. »Frühestens Anfang nächster Woche wird sich etwas tun. Niemand, der nicht unbedingt muss, reist derzeit dorthin. Ihr wisst selbst, wie unübersichtlich die Lage bei den Ordensrittern ist. Es lungern einfach zu viele Söldner um die Burg herum. Immer wieder fallen sie über Reisende her, plündern und rauben, wessen sie habhaft werden können. Man kann es ihnen nicht einmal verdenken. Die armen Burschen warten auf den Sold, den die Weißmäntel ihnen schulden. Ungeheure Summen sollen es sein. Da sieht man mal wieder, wie viel man auf das Wort der Ordensritter geben kann. Wie gut, dass sich Elbing schon im letzten Jahr von ihnen losgesagt hat. Als Schutzherr ist mir Kasimir von Polen weitaus lieber. Der steht wenigstens zu dem, was er verspricht. Seit wir die Kreuzherren davongejagt haben, geht es uns hier besser als je zuvor. Statt uns darum zu sorgen, wie wir den Weißmänteln das Geld für die Akzise beschaffen, können wir uns auf unsere Geschäfte besinnen. Schaut Euch dagegen nur die feigen Königsberger an! Erst haben sie große Worte

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