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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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geschwungen, nie und nimmer vor einem Hochmeister mehr das Knie zu beugen, dann aber sind sie Stadt für Stadt den Ordensrittern wieder hinterhergekrochen. Eine Schande ist das. Die sind doch nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht!«
    »Was schimpft Ihr so, liebe Frau Wirtin? Zwar verstehe ich Euren Zorn auf die Königsberger. Ihr Verhalten in diesem Sommer hat so manchen verwundert. Doch was hat das mit uns zu tun? Unser Fräulein hier muss eilig zu ihrem Vetter. Ihr Oheim aus dem Kneiphof hat sie mir anvertraut. Ihr werdet verstehen, wie sehr es mir darum zu tun ist, sie für das letzte Stück des Weges, auf dem ich sie nicht begleiten kann, in eine sichere Obhut zu geben.«
    »Soso, aus dem Kneiphof kommt unser Fräulein und will ganz allein zur Marienburg, um ihren
Vetter
aufzusuchen.« Die rothaarige Wirtin verschränkte die schlanken Arme vor der Brust. Abschätzig maß sie Agnes von oben bis unten.
    »Das mit dem Kneiphof stimmt nicht so ganz«, warf Agnes scheu ein. Dunkel schwante ihr, was ihr bevorstand, wenn sich in der Gaststube herumsprach, sie stamme aus einer der drei Königsberger Städte. »Ursprünglich komme ich aus Wehlau. Als die Kreuzherren im Sommer vor den Mauern unserer Stadt aufgetaucht sind, hat mich mein Vetter auf Geheiß meiner Mutter zu unserer Muhme in den Löbenicht gebracht. Jetzt aber muss ich dringend wieder zu meinem Vetter auf die Marienburg. Ich soll ihm eine wichtige Nachricht übermitteln. Er verdingt sich dort als angesehener Baumeister.«
    »Warum beauftragt Eure Muhme keinen Boten?« Die Wirtin zeigte sich wenig beeindruckt von ihrer Rechtfertigung. »In Zeiten wie diesen sollte ein ehrbares Fräulein nie ohne männlichen Schutz unterwegs sein, ganz gleich, woher sie kommt und zu welchem Zweck sie unterwegs ist. Es sei denn, sie hat in Wahrheit etwas weniger Ehrenhaftes im Sinn.«
    Wieder bohrten sich ihre Augen in Agnes’ Antlitz. Agnes’ Wangen glühten, Julia schaute beschämt zur Seite.
    »Aber gute Frau, ich darf doch sehr bitten!« Verärgert schlug Struth mit der Hand auf den Tisch. »Wie könnt Ihr auf eine solche Idee verfallen? Denkt Ihr am Ende, ich würde eine …«
    »Schon gut, schon gut«, beschwichtigte die Wirtin. »Ich wollte Euch gar nichts unterstellen, mein lieber Struth. Dazu kennen wir uns zu lange. Aber mir scheint, Eure junge Begleiterin ist sich nicht im Klaren, worauf sie sich einlässt, wenn sie ab morgen ohne Euren Schutz unterwegs ist.«
    »Das mag sein«, stimmte Struth zögernd zu, während er sich zurücklehnte und die kurzen Arme vor der breiten Brust verschränkte. »Umso wichtiger ist es mir, einen vertrauenswürdigen Mann zu finden, der sich ihrer annimmt.«
    »Vielleicht interessiert es Euch zu hören, dass bereits jemand nach dem jungen Fräulein gefragt hat.«
    »Was?«
    Die Wirtin zeigte sich sichtlich zufrieden über die Wirkung, die ihre Worte hervorriefen, und bedachte Agnes mit einem rätselhaften Blick.
    »Seid Ihr sicher?«, hakte Struth nach. »Es muss sich um eine Verwechslung handeln. Wer sollte sich nach Fräulein Agnes erkundigen? Sie wurde mir von ihrem Oheim anvertraut. Den kenne ich seit vielen Jahren. Es ist der Wirt aus dem Grünen Baum, unweit des Kneiphöfer Tores über den Alten Pregel zum Haberberg hinüber. Er hätte mir gesagt, wenn wir unterwegs jemanden treffen sollten oder jemand am Ende unserer gemeinsamen Wegstrecke auf sie wartet.«
    »Wer soll das gewesen sein?«, fragte auch Agnes ungläubig, sobald sie sich von ihrem ersten Schreck erholt hatte. »Ich wüsste ebenfalls niemanden, der mich hier erwarten sollte. Niemand weiß von meiner Reise. Noch dazu bin ich nie zuvor in Elbing gewesen.«
    »Das mag jetzt gar nichts heißen.« Die Wirtin rieb sich die Arme und reckte das spitze Kinn. Ihre grünen Augen funkelten gefährlich. »Ebenso wenig muss es etwas heißen, dass der Oheim nicht Bescheid weiß, was das liebe Fräulein im Sinn hat. Bedenkt doch, lieber Struth: Ihr seid selbst Vater einer Tochter, die zusehends ins Interesse so manch eines jungen Herrn rückt. Glaubt Ihr wirklich, über alles Bescheid zu wissen, was Eure Tochter betrifft?«
    Dieses Mal traf ihr eigenartiger Blick Julia. Das erleichterte Agnes jedoch keineswegs. Die Wirtin führte Übles im Schilde. Viel zu offensichtlich war, auf wie wenig Aufmerksamkeit die Getreidehändlertochter mit ihren schiefen Zähnen und den schielenden Augen in der Männerwelt stieß. Seit Jahren reiste sie an der Seite ihres Vaters durchs Land, ohne dass

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