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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Malzduft über dem Bottich. Verstohlen schneuzte Agnes sich die Nase in einen Zipfel ihrer Schürze. Kaum kehrte Ulrich mit dem Böttcher zurück, rollte ein zweiter Geselle bereits das nächste Fass heran. »Wie viele kommen denn noch?«, fragte sie verwundert. Niemand hatte ihr von der Lieferung erzählt. Gunda sprach derzeit nur das Nötigste mit ihr. »Da müssen wir uns mit dem Brauen wohl tüchtig ranhalten, damit die neuen Fässer bald gut gefüllt sind.«
    »Wenn es nach den Gästen geht, die vorn im Wirtshaus zechen, könnten wir wohl sämtliche Böttcher in Wehlau beschäftigen, um uns Fässer zu fertigen«, dröhnte Ulrich mit stolzgeschwellter Brust. Dabei legte er es darauf an, dass die Böttchergesellen jedes seiner Worte mit anhörten. »Tag und Nacht müsste gebraut werden, damit der Gerstensaft nicht aufhört zu fließen. Zum Glück haben viele Brauer ihr Braurecht an deine Mutter abgetreten. Sie hat wirklich ein gutes Händchen fürs Bier. Ich bin mir sicher, du wirst bald in ihre Fußstapfen treten. Der alte Fröbel, Gott hab ihn selig, wäre stolz auf euch beide!«
    Insgesamt wurden vier neue Fässer angeliefert. Agnes fand das reichlich vermessen, wenn sie die kargen Vorräte an Hopfen und Malzschrot bedachte. Am Morgen erst hatte sie der Mutter bei der Auflistung des Lagerbestands geholfen. Andererseits ging es auf Pfingsten zu. Mit jeder Woche würde es wärmer werden, und an den Markttagen sollten stetig neue Händler und Kaufleute in die Stadt kommen. Immer mehr durstige Kehlen würden das berühmte Bier der Fröbelin kosten wollen. Zugleich verkürzten die wärmeren Tage die Haltbarkeit des Bieres. Sie waren wirklich gut beraten, baldmöglichst kräftig Nachschub an Fässern anzufordern, um in kürzeren Abständen zu brauen.
    »Was ist mit dir? Träumst du?« Gunda stand plötzlich neben ihr und betrachtete sie aufmerksam. »Wenn du nicht aufpasst, kocht die Maische zu heiß. Das ist nicht gut. Schau, dort steigen schon erste Blasen auf!«
    Ungeduldig nahm sie ihr den Rührlöffel aus der Hand und rückte den Bottich ein Stück von der Flamme weg. Sie bückte sich und schob mit dem Schürhaken das Feuerholz etwas auseinander.
    »Ich habe wohl viel zu lang damit gewartet, dich an die Bottiche zu stellen«, erklärte sie beim Wiederaufrichten. »Fröbel hatte recht: Es bedarf seiner Zeit, bis du begreifst, welche Handgriffe vonnöten sind.«
    »Vielleicht hätte es auch einfach eines Sohnes bedurft?« Aufgebracht wischte Agnes sich den Schweiß von der Stirn. »Den hättest du bestimmt viel früher im Sudhaus anpacken lassen.«
    »Was redest du da schon wieder? Wieso fängst du in letzter Zeit stets aufs Neue mit diesem Thema an?«
    Hart fasste die Mutter ihr mit der Hand unters Kinn und zwang ihr Gesicht zu sich herum. So vorwurfsvoll ihre Stimme klang, so sehr verriet das Flackern ihrer hellbraunen Augen, wie verletzt sie war. Um ihren Mund zitterte es. Fast hatte es den Anschein, als ringe sie mit den Tränen. Doch Tränen hatte sie seit Jahren keine mehr vergossen, wie Agnes wusste. Nicht einmal Fröbels Tod hatte sie zum Weinen gebracht. Doch schon hatte sich Gunda wieder im Griff, reckte das Kinn und erklärte in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: »Du weißt genau, wie sehr der selige Zacharias Fröbel und ich uns stets an dir erfreut haben. Nie haben wir es bedauert, keinen Sohn zu haben.«
    »Bist du dir da sicher?« Der Teufel musste Agnes reiten, dass sie diese Bemerkung nicht unterdrücken konnte.
    »Warum fragst du?«
    »Weil ich mich gerade bei allem, was du sagst, frage, ob es überhaupt noch stimmt, oder ob du mich nicht …«
    »Was behauptest du da? Was fällt dir ein …«, fiel Gunda ihr ins Wort und hob drohend die Hand, schlug aber nicht zu.
    Einen Moment starrten sie einander an. Langsam ließ Gunda die Hand wieder sinken. »Was ist plötzlich in dich gefahren? Mir ist, als erkenne ich dich gar nicht mehr wieder, mein Kind.« Sie klang bekümmert.
    Agnes senkte den Blick und kämpfte mit den Tränen. Wie gern wäre sie der Mutter um den Hals gefallen und hätte sie inständig um Verzeihung gebeten. Doch es ging nicht. »Ich kenne dich auch nicht wieder, Mutter«, murmelte sie leise.
    »Also gut«, sagte Gunda entschieden. »Es gibt noch viel zu tun. Lass uns weitermachen, damit sich die Anschaffung der neuen Fässer tatsächlich lohnt.«
    »Warte bitte.« Umständlich streifte Agnes die Finger an der Schürze trocken und rückte das Halstuch zurecht, um noch

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