Gold und Stein
Ordens antreten. Der Übermacht Reuß von Plauens und seiner Mannen haben sie nichts entgegenzusetzen. Davon abgesehen, klingt auch für sie das Angebot der Kreuzherren zu verlockend. Letztlich sind sie Kaufleute wie wir und wissen, dass die Rechnung mit dem Aufstand gegen den Orden nur zu ihren Ungunsten ausfallen kann.«
»Ich glaube, Vater, in diesem Fall bist du derjenige, der sich gewaltig täuscht«, widersprach Caspar. »So rasch wird keine Ruhe einkehren. Plauens Heer mag in der Überzahl sein, dennoch schüchtert es die Bündischen im Kneiphof keineswegs ein. Erst letzte Woche ist der Versuch, die Mauern zu erstürmen, kläglich gescheitert. Die Zufahrtswege über den Pregel können nicht abgeriegelt werden. So war es den Danzigern ein Leichtes, Schiffe übers Haff den Pregel hinauf zu schicken, um den Kneiphöfern beizustehen. Plauen wird bereits eifrig über einen möglichen Gegenschlag nachdenken. Es heißt, dass er wahrscheinlich den Pregel weiter unterhalb des Kneiphofs absperren wird. Gelänge ihm das, wären die Kneiphöfer von sämtlicher Unterstützung abgeschnitten. Für den Krieg zwischen den Bündischen und den Deutschordensrittern könnte das den Ausschlag geben, wer am Ende der Stärkere ist. Und das, mein lieber Vater, bedeutet für mich«, er deutete eine unterwürfige Verbeugung an, »dass mein Platz vorerst hier zu Hause ist. Ich werde weder dich und Mutter noch meine Heimatstadt im Stich lassen, bis die alte Ordnung tatsächlich wiederhergestellt und die Rückkehr zum gewöhnlichen Tagesgeschäft möglich ist. Nie und nimmer ertrage ich es, in Danzig, Lübeck oder Bremen zu sein, während Mutter und du hier des noch offenen Krieges wegen in Gefahr schwebt.«
Thank goodness,
was für ein Junge! Am liebsten hätte sich Editha auf ihn gestürzt und ihn ans Herz gedrückt. Ein kurzer Blick zu Gernot gemahnte sie jedoch zur Zurückhaltung. Gesenkten Blickes schlich sie an ihrem Gemahl vorbei zum Fenster.
»Mein Sohn.« Gernots Stimme klang heiser. Bewegt umarmte er Caspar und klopfte ihm auf den Rücken. »Dann soll es wohl so sein.« Ohne Editha eines Blickes zu würdigen, verließ er den Raum.
Erleichtert atmete Editha auf. Sie ging zu Caspar, strich ihm eine Strähne des dunkelblonden Haares aus dem Gesicht, berührte wie zufällig das Feuermal in seinem Nacken. Mit den Fingern fuhr sie dessen Umrisse unter dem Halstuch nach.
»Lass das!« Jäh drehte Caspar sich von ihr weg.
Erschrocken wich sie zurück. Sie hatte eine Regung an ihm entdeckt, die er nicht von Gernot hatte. Genauso wenig wie die schmale Nase mit dem Höcker knapp unterhalb der Nasenwurzel. Dunkel stieg in ihr wieder das Bild einer anderen Person auf, der sie vor bald achtzehn Jahren begegnet war. Sie wedelte mit der Hand durch die Luft, als könnte sie so die Erinnerung ein für alle Mal aus dem Gedächtnis bannen.
»Dein Vater hat recht«, sagte sie leise. »Blut ist die stärkste Verbindung. Das sollte man nie vergessen. Aus tiefstem Herzen bin ich erleichtert, mein Junge, dass du bei uns in der Altstadt bleiben willst.«
7
S o warm es in den letzten beiden Aprilwochen gewesen war, so kühl begann der Mai. Die Sonne hatte sich hinter gewaltige Wolkenberge zurückgezogen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich in sintflutartigen Regengüssen entladen würden. Einem Unglücksboten gleich frischte der Wind zu heftigen Böen auf, trieb immer mehr dunkle Wolken heran. Über dem unheimlichen Klappern der Fensterläden und dem lauten Schlagen der losen Türen war das muntere Gezwitscher der Vögel nahezu verstummt. Nur wenige Händler zogen durch das Alletor zum Markt in die Stadt, die Bänke in der Schankstube des Silbernen Hirschen waren spärlich besetzt. Die unbeschwerte Frühlingsstimmung der Vorwoche hatte noch einmal der winterlichen Schwermut weichen müssen. Agnes wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis der Mai seinem Ruf wieder alle Ehre machen und das schlechte Wetter endgültig aus den engen Gassen Wehlaus vertreiben würde. Bis es so weit war, freute sie sich, der Mutter beim Brauen zur Hand gehen zu dürfen. Das war eine willkommene Abwechslung von der Arbeit in der Schankwirtschaft. Sie betrat den engen Hof. Die Hühner hatten sich in ihren Stall verzogen, ebenso waren die Schweine in die hinterste Ecke ihres Kobens zurückgewichen. Selbst die Tauben trauten sich bei dem unwirtlichen Wetter nicht heraus.
Der Taubenschlag befand sich am Hinterhaus, in dem gebraut wurde. Gunda beteiligte sich
Weitere Kostenlose Bücher